Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 07.07.2009

Neue Attacken und fehlende Antworten

Das Kapitel Hausenteignungen belastet die Tillich-Biografie — Bautzener Landrat Harig bescheinigt: Archiv in Karnenz ist vollständig
 
Dresden. Nach acht Monaten andauerndem juristischen Gezerre um die Antworten in seinem Fragebogen für den Offentlichen Dienst hat Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am Wochenende einen weiteren Befreiungsschlag versucht. Er ließ das zweiseitige Papier mit einem Interview in einer Boulevardzeitung veröffentlichen, in dem die Dresdner Staatskanzlei alle Fragen in ihrem Sinne beantworten konnte. Ziel der Übung war offenbar, letzte Zweifel an teils widersprüchlichen biografischen Angaben auszuräumen und einen Schlussstrich unter die Affäre zu ziehen. Weitere Auskünfte zu der schier unendlichen Geschichte lehnte die Staatskanzlei gestern ab.

Rund um das Regierungsviertel geht man jedoch nicht davon aus, dass die Rechnung aufgeht. Es werde keine Ruhe geben um Tillichs Vergangenheit. So die Prognose. Und „SPD-Chefaufklärer" Karl Nolle lieferte gestern gleich die Bestätigung mit neuen Details aus der ehemaligen Chefetage der Kamenzer Kreisverwaltung. Dort war Tillich Mitte 1989 zu einem der fünf Vize-Vorsitzenden aufgestiegen.

Nolle führt drei neue Haus-Enteignungen ins Feld, an denen Tillich im Chor der Ratsversammlung mitgewirkt hat. Termin: Herbst 1989, zum Teil nach dem Mauerfall. In jener Zeit wollte die Nomenklatur der ausklingenden DDR offenbar vollendete Tatsachen schaffen.

Zwei Fälle von Hausenteignungen waren aus Tillichs Zeit als Vize-Ratschef für Handel und Versorgung bisher bekannt. Neu ist jetzt ein Ratsbeschluss vom 26. Oktober 1989, durch den eine Zeile aus drei Häusern in Top-Lage am Markt der Kreisstadt unfreiwillig den Besitzer wechselte - von Eigentümern in der Bundesrepublik sowie einer deutsch-deutschen Erbengemein schaft in Volkseigentum. Tillich hat an der Ratssitzung teilgenommen. Das belegt die unterzeichnete Anwesenheitsliste.

Offen ist dagegen noch immer, wo die Sachakten zu dem bereits be kannten Enteignungsfall aus dem Dezember 1989 sind. Dieser war später wieder rückgängig gemacht worden mit der Begründung, die Enteignung habe selbst dem DDR-Recht widersprochen. Wer nach die sen Unterlagen fragt, muss mit un befriedigenden Antworten rechnen. Beispielsweise Michael Harig (CDU), Landrat in Bautzen, dem als Chef von 2000 Mitarbeitern auch das Kreisarchiv untersteht. Weder sei der Aktenbestand unvollständig, noch seien angeforderte Kopien von Dokumenten nur unvollständig zur Einsicht ausgehändigt worden, sagte Harig.

Für die von Nolle beklagte lückenhafte Aktensammlung im Fall der Enteignung hat der Landrat folgende Erklärung: Möglicherweise seien die Anfragenden einem Irrtum aufgesessen. Denn die im Februar 1989 beschlossene, aber erst am 7. Dezember 1989 vollzogene Enteignung stelle nicht zwei unterschiedliche Fälle, sondern einen gemeinsamen Komplex dar. Soll heißen: Für den endgültigen Beschluss habe keine Beratung mehr stattfinden müssen, folglich gebe es nur ein dünnes Papier.

„Die Unterlagen, die wir 1989 er halten haben, waren und sind vollständig", bekräftigt Harichs Amtsleiterin Martina Höhn. Die Staatskanzlei selbst hat kein Interesse mehr an den vermissten Akten. Das sagte gestern Abend Regierungssprecher Peter Zimmermann. Es sei zu der Angelegenheit alles gesagt.
VON HUBERT KEMPER UND UWE KUHR
> Enteignungsexperte Stanislaw Tillich - Die CDU als Partei des Eigentums und Tillichs Mitwirkung an 5 Enteignungen in 1989

Karl Nolle im Webseitentest
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