LESERBRIEF SZ, 25.09.2000
Arbeitskräfte - Abwanderung ist keine Lösung für den Osten
Leserbrief zum 08.09., S.31, J. Gildemeister aus 01109 Dresden:
(In mehren Artikeln und Zuschriften, Provoziert durch die Presseerklärung von Karl Nolle zum Thema "5000 DM Wegzugsprämie für Arbeitslose" wurde das Thema, hier eine weitere zustimmende Reaktion)
Zum Thema Arbeitskraftmobilität: Die Frage einer belohnten Arbeitskraft-Mobilität fordert zur Diskussion heraus. Bei dem Problem, die Entvölkerung Ostdeutschlands über eine Re-Industrialisierung zu stoppen und die Arbeitsplätze zu schaffen, müsste die Bundesregierung erkennen: Die Mobilitätshilfe nutzt einerseits den jungen Menschen, die sie in Anspruch nehmen, andererseits aber den sie aufnehmenden Wirtschaftsgebieten und schädigt zugleich unsere Regionen, weil Versuch zur Bildung eigener neuer Industrie-Kerne infolge abgewanderter Fachkräfte erschwert werden. So nehmen gegenwärtig 80 % der ostdeutschen Hochschulabsolventen eine Tätigkeit in den alten Bundesländern auf. Dadurch wird zum Erhalt der extrem niedrigen Geburtenrat und zur zunehmenden Vergreisung bei uns beigesteuert. Die Bewegung der Arbeitsplätze muss in Richtung der bei uns vorhandenen Arbeitskräfte führen. Die Frage, ob es günstiger oder überhaupt realisierbar ist, ob die Arbeitskräfte dorthin wandern, wo es die Arbeitsplätze gibt, erübrigt sich, wenn es bei uns keine Arbeitskräfte mehr gibt, die abwandern können. Denn das im Westen boomende Großkapital richtet bei uns Produktionsanlagen nur ein, wenn es die notwendigen Arbeitskräfte dafür noch gibt. In eine brachliegende Region kann man nicht wandern. Die gegenwärtige Bundesregierung müsste die Gefahr der Unumkehrbarkeit des negativ verlaufenden Prozesses im Beschäftigungsverhältnis zwischen alten und neuen Ländern nicht nur erkennen, sondern auch gegen die kurzsichtigen Maximalprofitinteresse des Großkapitals eingreifen.