Landespressekonferenz, 12 Uhr Sächsischer Landtag, 19.06.2009
Statement zur Buchvorstellung: „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“
"Zur Aktualität der Diskussion deutscher Vergangenheiten"
Sehr geehrte Damen und Herren der Presse,
liebe Landtagskollegen,
werte Pressesprecher verschiedener Fraktionen,
sowie herzlichst gegrüßt die Beobachter von der anderen Elbseite, denen ich erkenntnisreiche Mitschriften wünsche sowie alle Gäste.
Als besonderen Gast meiner Buchvorstellung und Autor des Vorwortes zu meinem Buch begrüße ich meinen heutigen Laudator und Fraktionskollegen Professor Dr. Cornelius Weiß,
Ich begrüße als Gast Bodo Walther, stellvertretender Vorsitzender des Bautzen Komitees und ich begrüße den ehemaligen CDU Kreisrat des Altlandkreises Freital, Günter Hofmann, der über einen Zeitraum von 10 Jahren eine frustrierende im Kampf gegen die alten Blockseilschaften in seinem Landkreis geführt hat.
Organisatorisch unterstützen wird uns heute Arne Grimm der Chef Öffentlichkeitsarbeit der SPD Fraktion.
Ich begrüße herzlich unseren Generalsekretär Dirk Panter und natürlich meine Dresdner SPD Chefin Sabine Friedel.
Lassen Sie mich vorab einige grundsätzliche Gedanken äußern.
Zur Aktualität der Diskussion deutscher Vergangenheiten
Die Vergangenheit ist häufig alles andere als wirklich vergangen, denn manche Vergangenheiten wirken in die Gegenwart und Zukunft hinein. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vergangenheit problematisch ist und durch menschliches Fehlverhalten bestimmt war und wenn dieses verschleiert oder aber gänzlich abgestritten werden sollte. Denn in diesen beiden Fällen eines nicht geglückten Umgangs mit der Vergangenheit wird das seinerzeit geschehene Unrecht perpetuiert.
Mein Buch, das ich Ihnen heute vorstelle, beschäftigt sich mit einigen Aspekten der DDR-Vergangenheit. Im Rahmen der Diskussion um diese DDR-Vergangenheit steht das Thema des Buches „Die Kollaboration heutiger CDU Funktionäre im SED-Regime“, der Umgang mit dieser Kollaboration und die Diskussion darüber, nicht einzigartig dar.
Derzeit wird beim deutschen Sport diskutiert, ob Trainer die seinerzeit in der DDR gedopt oder daran mitgewirkt haben, heute wieder tätig sein können. In Brandenburg wird derzeit heiß diskutiert, ob die Übernahme von hauptamtlichen Mitarbeitern des MfS und vieler IM in den Öffentlichen Dienst in Ordnung war und im Bundestag hat erst vor zwei Wochen eine Diskussion zu diesem Thema auf Antrag der FDP Fraktion stattgefunden.
Aktuelle Anmerkung:
Welche üble rechtsstaatliche Blüten die permanente Verschleierung des politischen Wirken unseres Ministerpräsidenten und seiner dazu bekannt gegebenen Biografie inzwischen treiben,, sehen Sie an der durch die heutige Welt Berichterstattung bekannt gewordenen "innerbehördlichen Anweisung" des Bautzener Landrates Michael Harig für das Kreisarchiv Kamenz „im Falle einer Recherche in den Ratsdokumenten unverzüglich die Staatskanzlei zu informieren“. Hierbei kann es sich gleich um mehrere Rechtsverstöße handeln, auf jeden Fall ist das eine wohl dokumentierte politische Dummheit. Fast fragt man sich was gravierender ist, die Enteignung oder das vordemokratische Verständnis vom Landesarchivgesetz – gewissermaßen - Partei und Staatsführung lässt Archivbestände filzen oder eine neue sächsische Spezialität - die gelenkte Archivbenutzung.
Erinnern möchte ich auch an die unendliche Fortsetzungsgeschichte der weiter beharrlich verweigerten Antworten von Ministerpäsident Tillich vor dem Verwaltungsgericht Dresden und den damit dieser Tage verbundenen Fristablauf zur Reaktion der Staatskanzlei. Erinnern möchte ich auch an meine laufende Klage vor dem Verfassungsgerichtshof wegen der teils falsch, unvollständig oder gar nicht gegebenen Antworten der Staatskanzlei auf meine 105 Fragen zu Stanislaw Tillichs Biografien.
„Nicht die Biografien sind eine Schande, sondern der heutige Umgang damit“
In allen diesen Fällen spielt natürlich die Vergangenheit selbst eine Rolle, aber noch problematischer ist der Umgang mit dieser Vergangenheit durch die „Täter“ und ihre heutigen Unterstützer, die meistens in Westdeutschland sozialisiert worden sind.
In diesem größeren Rahmen wirft mein Buch einen besonderen Blick auf die Situation in Sachsen, arbeitet aber gleichzeitig Gesichtspunkte heraus, die auch für die Problematik in anderen Bundesländern oder in unserer Gesellschaft insgesamt von Interesse sind.
Motivation für das Buch war und ist für mich die Doppelmoral der Mächtigen im Land
Bevor ich Ausführungen zum Inhalt des Buches mache, möchte ich etwas zu dieser Motivation sagen, die es mich hat schreiben lassen. Seit dem Beginn meiner parlamentarischen Arbeit vor 10 Jahren habe ich immer wieder
Material zu diesem Thema der Doppelmoral gesammelt und in einer Reihe von kleinen Anfragen öffentlich gemacht z.B. zu Sozialministerin Weber, zum Wissenschaft und Kunst Minister Meyer, zu Heiner Eggert und der K1, zum Landespolizeipräsidenten Merbitz, zum berühmten Nationalpreisträger Ludwig Güttler alias IM Friedrich und zum Landrat Andreas Schramm, zur Ost CDU und dem Mauerbau.
Mir ist sehr schnell aufgefallen, dass der Umgang mit der Vergangenheit im SED-Regime nach 1990 sehr ungleich betrieben worden ist. Ich habe schon früh den Eindruck gewonnen, dass da Doppelmoral im Spiel sein könnte und je mehr ich mich mit der Sache beschäftigt habe, hat sich dieser Verdacht leider mehr als bestätigt.
Grob gesprochen ist das Problem:
Wende ich auf meine Freunde den gleichen Maßstab an wie auf meine Gegner. Genüge ich diesem Erfordernis der moralischen und rechtlichen Gleichbehandlung nicht, so bin ich in größter Gefahr mich dem Vorwurf der Doppelmoral und auch einer rechtsstaatswidrigen Anwendung des Rechtes auszusetzen. Dies war für mich der große Grundimpuls um das Buch zu schreiben, nicht zuletzt auch um in der konkreten Auseinandersetzung für mich selbst zu prüfen, ob das was ich an Vorwürfen mache, von solcher Art und Substanz ist, dass man das getrost in ein Buch schreiben kann.
Kein Generalangriff auf die CDU
Ich räume selbstverständlich ein, dass ich natürlich als Karl Nolle nicht ein Anhänger der CDU bin und deshalb keine Veranlassung habe, ihr die Kritik vorzuenthalten, die sie meines Erachtens mehr als verdient, trotzdem hoffe ich, dass bei dem Buch immer klar wird, dass es sich mit den Akteuren befasst, also „Täter“ und Unterstützer bezogen geschrieben worden ist und dass es kein pauschaler Angriff auf die CDU insgesamt sein soll.
Bei der Betrachtung des Gesamtgeschehens fällt ohnehin auf, dass in der CDU mehrere Strömungen in Bezug auf den Umgang mit der Vergangenheit festzustellen sind. Von daher wäre es unklug und auch falsch, so zu tun, als wenn die CDU eine für alle geltende Auffassung dergestalt vertreten würde, dass es auf die Vergangenheit nicht ankomme. Mein Vorwurf geht ja gerade dahin, dass die CDU so tut, als wenn sie eine für alle Fälle geltende Regelung auf der Basis eines einheitlichen und einsehbaren Maßstabes hätte.
Gerade dies ist ja leider nicht der Fall. Die friedlichen Revolutionäre und die „Blockparteiler“ „CDU-parteiintern als Blockies bezeichnet“ sind sich in den neunziger Jahren lange in den Haaren gelegen, wie man mit der Vergangenheit umzugehen habe. Die Gewichte haben sich mit der Zeit „so meine These“ mehr und mehr zu Gunsten der „Blockparteiler“ verschoben, wie auch Günter Hofmanns eindrucksvolle Beispiele aus der CDU-Provinz, aus den Altlandkreisen Freital/Weißeritz/Dippoldiswalde belegen.
"Die innerparteilichen Machtverhältnisse entschieden haben die aus dem Westen stammenden Unterstützer der Blockparteiler.
Hierbei ist für mich besonders interessant, dass ausgerechnet die aus dem Westen stammenden CDU-Politiker diesen Prozess zu Gunsten der „Blockparteiler“ entschieden haben, weil sie ihr Potenzial in die Waagschale der „Blockies“ gegeben haben. Insoweit handelt es sich auch nicht um ein Problem in Ostdeutschland sondern um ein gesamtdeutsches Phänomen. Das mag damit zusammenhängen, dass der Karrierist und Mitläufer allüberall in Deutschland immer anzutreffen war und auch heute noch in allen Parteien sein Unwesen treibt.
Schlaglichter meines Buches mit Seitenangaben:
Welche Persönlichkeiten interessierten mich besonders?
Karrieristen, Wendehälse, Janusköpfe,
z.B. Güttler, berühmter Trompeter, Bundesverdienstkreuz für IM „Friedrich“
Handwerkskammerpräsident Dirschka, IM „Vorsitzender“,
die Ex. IM-Landräte , Unger IM „Kleeblatt“, Malchereck IM „Hans“ und Ebermann (Bautzen)
Die Landtagsabgeordneten mit Blockpartei Hintergrund. Hier sind über 100 Biografien aus dem Landtagshandbüchern dokumentiert.
Die Entwicklung nebst Statistik des Anteils mit Blockparteihintergrund in den Legislaturen,
Natürlich Stanislaw Tillich und 26 ausgewählte Einzelbiographien
Minister, Landräte, Oberbürgermeister, Bürgermeister, Bundestagsabgeordnete,
Blockflöten, Ex-SED Genossen in hohen CDU-Positionen, IMs, es ist sogar ein Stasioffizier als Büregermeister dabei und der "Systemgegner" Ex. Innenminister Eggert, der sich mit Stasileuten umgeben hatte und für die Übernahme der K1 Polizisten in den Polizeidienst verantwortlich ist.
Das Buch handelt von den Blockflöten, wie der Volksmund sagt und von wendehälsen der EX-SED: Landespolizeipräsident Merbitz, Landrat Ulig, OB Dresler, OB Baumann, EX-Stasi Offizier Rüger, Bgm. Mühlau
Ich beleuchte Stanislaw Tillich und sein Kabinett, die Fraktions- und Parlamentsspitze nebst Landespolizeipräsidenten (incl. Tillich sind das acht Personen mit CDU und sogar SED Hintergrund an nder Spitze der politischen Macht im Lande.)
125 ff.) Die Tillichs eine ganz "normale" politische Familie
98 ff.) 30 Biografische Manipulationen
107 ff.) Der realexistierende Staatsfunktionär Tillich und die Protokolle des Rates Kamenz.
Mehr als Mangelverwaltung von fehlendem Langkornreis, Essig und Senfkörnern zur sozialistischen Erziehung zur Wehrbereitschaft der Jugendlichen und zu Enteignungen durch den Rat des Kreises an denen Tillich selbstverständlich mitgewirkt hat.
110) Keiner hat sich beworben … einen Abschnitt lese ich daraus vor.
135 ff.) Burgscheidungen: Tillich reagierte empört auf Frage von Journalisten nach dem Stichwort Parteischule zum Fragebogen und der PCDU Kaderschmiede Burgscheidungen. Einen Abschnitt lese ich daraus vor.
140 ff.) Fünf Sachsen zur mehrmonatigen Kaderschulung in Burgscheidungen
Czupalla, Michael, Landrat Nordsachen,
Dombois, Andrea, 2. Vizepräsidentin Landtag,
Kaminiski, Peter, Ex. Stadtkämmerer Leipzig, mehrfach zur Kaderschulung,
Kupfer, Frank, Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft,
Tillich, Veronika, First Lady in Sachsen, Politischer Instrukteur der CDU Kreisleitung Kamenz, (SED Bezeichnung: Sekretär für Agitation und Propaganda)
155 ff ) Ex Innenminister Eggert und eines seiner vielen Probleme - Erinnerungen von Beamten zur Übernahme ehemaligen K1 Mitarbeitern in die sächsische Polizei, die auf persönliche Gründe des Ministers hindeuten..
162) Einen Abschnitt lese ich daraus vor.
197 ff) Prof. Meyer und die kommunistische Erziehung der Studenten,
Rigorosität und verkrampfte Einseitigkeit - Hans Joachim Meyer ist ein Beispiel dafür, wie jemand vom „Täter“ zum Inquisitor wurde, zum selbsternannten Racheengel.
78 ff.) Der Kampf der alten Seilschaften in denen Altlandkreisen Freital / Dippoldiswalde / Weißeritzkreis als Beispiel aus der Provinz. Einen Abschnitt lese ich daraus vor.
Darüberhinaus finden Sie Dokumente und Reden und ich dokumentiere 140 Briefe und e-mails, die ich seit November 2008 erhielt, 100 PRO und 40 Contra.
Wir waren doch nur ganz normale Menschen.
Wenn man sich mit den persönlichen Anteilen der betroffenen Akteure oder „Täter“ an der Vergangenheit beschäftigt, so wird einem die von diesen immer wieder gebrauchte Bewältigungsstrategie „wir waren doch nur ganz normale Menschen“ besonders übel aufstoßen. Es erscheint besonders perfide, wenn sich da jemand für die Macht einspannen ließ, diese Macht mit ausgeübt hat, daraus persönliche Vorteile gezogen hat und nach dem Untergang dieser Macht sich nun als einen armen Getriebenen oder sogar als Opfer darstellt.
Natürlich war man als SED- oder als Blockparteifunktionär, besonders wenn man Staatsfunktionen ausübte, kein ganz normaler DDR-Bürger wie du und ich. Wer so schon beginnt und dann noch die eigene Familie einbezieht, der setzt sich dem Verdacht aus, dass er über seine Vergangenheit und deren rote Flecken betrügen will.
Selbstverständlich wird zunächst immer von denjenigen berichtet, die die Vergangenheit erlebt und sich wegen derer Vorwürfe oder doch zumindest Gedanken machen müssten. Aber es sollte nie vergessen werden, dass nicht nur diese alleine für den Umgang mit der Vergangenheit zuständig sind, sondern auch deren Unterstützer, die es erst teils möglich gemacht haben, dass die vergangenheitsbelasteten Politiker nach der friedlichen Revolution als Repräsentanten des freiheitlich demokratischen Rechtsstaates auftreten und die Funktionshebel der Macht in die Hände bekommen konnten.
Ein Stanislaw Tillich wurde nie von der Bevölkerung zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählt.
Ein Stanislaw Tillich wurde nie von der Bevölkerung zum sächsischen Ministerpräsidenten gewählt, sondern er verdankt seinen Aufstieg ausschließlich Politikern aus dem Westen, die es wirklich hätten besser wissen müssen. Der Ministerpräsident Professor Biedenkopf machte Tillich 1999 zum Minister und es wird keine böswillige Unterstellung sein, dass er das ohne Wissen von Tillichs Tätigkeit in der DDR getan hat, schließlich soll der Mann doch über alles in seinem Freistaat Sachsen informiert gewesen sein.
Seine Berufung zum Ministerpräsidenten verdankt Tillich seinem Vorgänger Professor Milbradt, der putschartig, am 13. April 2008, an jeglicher innerparteilichen Demokratie vorbei, bei der erfolgreichen Beendigung seiner Amtszeit die Bestellung eines Nachfolgers vornahm. Auch Herr Professor Milbradt war bestimmt nicht ohne die notwendigen Kenntnisse, die aber aus anderen Gründen eben keine Rolle gespielt haben. Schließlich wird ein Karrierist dem anderen ein Verhalten nicht vorwerfen,, dass er für sich selbst ohne weiteres in Anspruch nehmen würde.
Ausblick
Dieses Buch wird wahrscheinlich nur eine Zwischenstation sein auf dem Weg zur ganzen Wahrheit. Es entstand durch die Mithilfe sehr vieler die mir viele Informationen zukommen ließen und die mich auf Punkte aufmerksam gemacht haben, auf die ich nicht ohne weiteres selbst gekommen wäre. Bis in die letzten Stunden hinein habe ich solche Hilfen bekommen und ich bin sicher, dass wenn die Menschen das Buch lesen werden, ihnen noch so manches einfallen wird.
Zum Beispiel wurde mir gerade erst die Information gegeben, dass jeder der bei den Grenztruppen der DDR seinen Militärdienst geleistet hat, ein sogenanntes Grenzgespräch führen musste, dessen Inhalt niedergeschrieben in der Grenzkaderermittlung auch
Grenzkaderakte genannt, maßgebliche Grundlage für seine Auswahl als Grenzsoldat war. Was dies bedeutet, gerade auch im Zusammenhang mit der Biografie von Ministerpräsident Tillich, wird zu klären sein.
Natürlich will dieses Buch ganz bewusst auch zur Diskussion anregen und ein wichtiges Thema in der demokratischen Auseinandersetzung artikulieren und mit seinen Thesen nach vorne bringen.
Ich hoffe, dass man mir diese Intention auch wirklich abnimmt. Ich kann nur betonen, dass man mich ruhig beim Wort nehmen soll und meinen Ausführungen kritisch begegnet.
Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre viel Freude.
Karl Nolle, MdL
19.06.09