Plenum des Sächsischen Landtags, TOP 9: Abwanderungsgipfel (DS 3-7722, Antrag der SPD), 27.02.2003
Nur gemeinsam lassen sich die Abwanderungsprobleme in Sachsen lösen
Vorschlag zu einem Abwanderungsgibpfel - Wir wollen dass die Sachsen in Sachsen bleiben
Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete,
in einer Umfrage im letzten Herbst haben 91% der Sachsen die Abwanderung junger Menschen als wichtigstes Problem benannt. Noch mal das sind 91%!
Mehr als jedes andere Problem bewegt das die Menschen in Sachsen.
Mittlerweile reißt diese Entwicklung Löcher in jede Familie, in jeden Freundeskreis. Jeder kennt Freunde, Verwandte, Bekannte, die auf der Suche nach Jobs oder größeren Lebenschancen in die alten Bundesländer gezogen sind.
Diese Bevölkerungsentwicklung – Geburtendefizit und negatives Abwanderungsaldo -verändert nachhaltig unser Gemeinwesen.
Mittlerweile geht der Bevölkerungsrückgang in Sachsen zu ca. 60% auf das Konto der Abwanderung.
Es ist also höchste Zeit etwas zu unternehmen!
Die Abwanderung ist ein solches Problem geworden, dass sie all unsere Lebensbereiche verändern wird.
Wie wirkt sich diese entwicklung auf unsere Wirtschaft, unsere mittelständischen Unternehmen aus?
Wir haben in zwei bis drei Jahren durch den Geburteneinbruch nach der Wende einen Einbruch bei den potenziellen Lehrlingen um mehr als die Hälfte.
Von 60.000 in 99 zu 30.000 in 2006!
Zu der Zeit beginnt die Zahl derjenigen, die in Rente gehen, sich fast zu verdoppeln! Von 35.000 in 2006 auf 65 000 in 2010!
Das heißt: Wir haben keinen Nachwuchs mehr, wenn besonders viele Menschen die Betriebe verlassen.
Diese Situation wird zusätzlich verschärft durch die Abwanderung, bei der aus den peripheren sächsischen Regionen jedes Jahr 5% der Jungen Leute weggehen.
Noch einmal zum mitschreiben und mitdenken:
Gerade dann sind die jungen Menschen schon weg, wenn die Älteren in Rente gehen!
Herr Minister, Sie machen sich etwas vor, wenn Sie sich hinstellen und sagen, 62% der Abgewanderten würden laut Umfrage zurück kommen. Das ist Quacksalberei.
Schauen Sie sich die Abwanderungsanalyse genau an! Dann lesen Sie zum Beispiel: nur 20% der Hoch- und Fachhochschulabsolventen würde zurückkommen. Oder gar nur 12% der jungen Abiturienten. Und die kommen auch erst zurück, wenn Job und Verdienst stimmen.
Und für diese Perspektive gibt es aus heutiger Sicht keinerlei Anhaltspunkte und das haben die zu verantworten die hier regieren.
Sie können sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Hier haben Sie auf der ganzen Linie versagt!
Wer hat denn dieses Land in den letzten 13 Jahre mit zunehmender Arroganz regiert?
Es waren und sind Sie, die CDU!
Wer hat denn den Wust von Paragrafen, Richtlinien und Verordnungen in Kraft gesetzt, die Sie jetzt auf einmal streichen wollen?
Die de-Maiziere-CDU!
Wer hat denn die Universitäten an den Rand der Verzweiflung getrieben, so dass Professoren und Studenten sich mit Grausen abwenden?
Die Rößler-CDU!
Wer hätte denn in den letzten 13 Jahren die Deregulierung machen können, die Sie immer von anderen fordern, nämlich dafür zu sorgen, dass Förderanträge unserer mittelständischen Unternehmen innerhalb von 7 Tagen und nicht 7 Monaten hätten bearbeitet und entschieden werden können?
Die Gillo-CDU!
Wer hat denn von Beteiligungen des Freistaates gesprochen, einer wichtigen Hilfe für den Mittelstand in Sachsen und hat dann z.B. in 2001 nur, sage und schreibe, acht Beteiligungen im ganzen Jahr und für ganz Sachsen zustande gebracht?
Dies war Ihre „Wahnsinnstat“!
Der Sächsische Mittelstand kann sich bedanken für diese rückwärtsgerichtete Wirtschaftsdynamik!
Das alles ist Ihre Politik, Ihre Verantwortung hier in Sachsen! Es ist Ihre Politik, die die Menschen aus dem Land getrieben hat und weiter treibt.
Die Antwort der CDU-Staatsregierung auf unseren Antrag sagt: Wir haben kein Problem mit der Abwanderung - Allenfalls ziehen zu wenige Menschen nach Sachsen.
Diese arrogante Antwort ist ein Skandal! Und mit Verlaub: Jedes Dorfhuhn mit einem IQ von nicht mehr als 49 hätte unseren Antrag besser beantwortet.
Diese Landesregierung hat den Kontakt zu den Menschen verloren!
Ich frage mich, in welchem Wolkenkuckucks-heim leben Sie? Wie erklären Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern, Herr Schiemann, Herr Bandmann, Herr Eggert, Herr Kupfer?
Offensichtlich lebt diese Landesregierung in einer anderen Wirklichkeit. Sie zetteln einen Streit an über eine Kirche, die niemand will. Sie schließen mit einem Federstrich die von ihnen ungeliebte juristische Fakultät in Dresden.
Sie sind nicht in der Lage, Flutmillionen des Bundes ordentlich vom Konto abzubuchen!
Und Abwanderung findet für Sie nicht statt.
Anstatt sich um die wirklichen Probleme zu kümmern, sind die Minister auf der Suche nach Wahlkreisen für einem halbwegs sicheren Hafen!
Meine Damen und Herren von der CDU: Mit dieser Politik verschaukeln Sie die Menschen in unserem Land ebenso, wie Sie Sie mit Ihren völlig unangemessenen Diätenforderungen provozieren.! Aber machen Sie ruhig so weiter. Sie sägen an Ihrem eigenem Ast!
Vergessen sind die Reden von Prof. Milbradt, als er noch Parteivorsitzender werden wollte und von der Abwanderung als Einbahnstraße aus Sachsen sprach, als er den deutlichen Bevölkerungsverlust in den wirtschaftlich schwachen sächsischen Regionen reklamierte, als er die stagnierende Wirtschaftsleistung pro Kopf beschrieb und dass wir in Sachsen noch weit von einem selbstragenden Aufschwung entfernt wären. Lesen Sie mal seine Gödelitzer-Rede zu dem Thema nach.
Es ist höchste Zeit, dass Sie von Ihrem hohen Ross runter kommen. Es ist höchste Zeit, dass wir alle gesellschaftlichen Kräfte bündeln, damit wir die Situation unserer Wirtschaft verbessern, damit unsere mittelständischen Unternehmen wachsen können, damit der ländliche Raum eine Chance bekommt, damit wir ein familien- und kindergerechtes Umfeld schaffen können.
Wir brauchen ein Signal, dass die Menschen, dass unsere Unternehmer verstehen.
Ein Abwanderungsgipfel, der alle wichtigen Akteure an einen Tisch bringt, kann ein solches Signal sein.
Der Abwanderungsgipfel soll keine Schwafel-bude sein. Er soll ein Instrument sein, um schnell Entscheidungen zu treffen. Und zwar die Entscheidungen, die nötig sind, um die Leute im Land zu halten.
Denn ein solche konzertierte Aktion hätte vor allem auch wichtige psychologische Effekte.
Es wäre das Signal an die Menschen zu sagen: Schaut her, es ist uns nicht egal, ob ihr geht. Wir wollen, dass ihr bleibt und wir wollen alle zusammen dafür arbeiten, dass die Leute hier einen Arbeitsplatz und auskömmliche Löhne behalten oder bekommen.
Aus meinen Gesprächen mit Verbänden, mit Unternehmerinnen und Unternehmern weiß ich: diese sind zu einem solchen Gipfel bereit. Mein Kollege Lucassen wird gleich auch noch etwas zur Sicht der Gewerkschaften sagen.
Wenn Sie glauben, wir hätten kein Abwanderungsproblem, sind Sie auf dem Holzweg. Wir müssen zuerst dafür sorgen, dass die Bedingungen stimmen, damit die Leute hier bleiben können. Es ist völlig unrealistisch anzunehmen, wir könnten Schwaben oder Bayern in den nächsten Jahren nach Sachsen locken. Dafür gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte.
Ein Abwanderungsgipfel ist deshalb dringend erforderlich. Wir müssen jetzt das Problem der Abwanderung anpacken!
„Wenn junge Menschen unserem Land in Scharen den Rücken kehren, ist dies ein Problem, dass uns alle betrifft. Deshalb müssen wir gemeinsam nach Wegen suchen, die Abwanderung zu stoppen. Wir müssen uns gemeinsam der Aufgabe stellen, die Zukunftsfähigkeit des Landes zu erhalten. Wir brauchen einen Schub wie Anfang der 90er Jahre, um uns aus der festgefahrenen Situation selbst zu befreien. Im Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen müssen die mittel- und langfristigen Zukunftsziele abgesteckt werden. In einem übersichtlichen Zeitrahmen muss nach Wegen und Möglichkeiten gesucht werden, diese Ziele zu verwirklichen. Die Politik muss ihre ideologischen Grenzen überwinden und Entscheidungen an den langfristigen Interessen des Landes orientieren.“
Meine Damen und Herren von der CDU – das sind die Worte Ihrer Parteifreunde aus Mecklenburg-Vorpommern, die uns bei unserem Antrag inspiriert haben.
Warum sollte in Sachsen falsch sein, was dort richtig ist?
Deshalb fordere ich Sie auf: Stimmen Sie dem Mecklenburger CDU-Chef Eckhardt Rehberg zu!
Dieser Abwanderungsgipfel ist im Interesse der Menschen in Sachsen,
im Interesse der mittelständischen Unternehmen und im Interesse des sächsischen Handwerkes.
Wir wollen dass die Sachsen in Sachsen bleiben!