Rede von Karl Nolle, MdL, Kundgebung Friedensbündnis Dresden, Schloßplatz, 16.oo Uhr, 08.03.2003
"Gerhard Schröder ist nicht , wie Angela Merkel, der Papagei des amerikanischen Präsidenten"
Keine Ölbrüderschaft mit diesem Präsidenten - George W. Bush sollte ins Exil gehen.
Liebe Dresdnerinnen und Dresdner, liebe Freunde!
Mit Gänsehaut denke ich heute noch an die Friedensvesper in der bis zum letzten Platz gefüllten Kreuzkirche am 11. November 1989. Die Mauer war gerade zwei Tage gefallen und ich erlebte nicht nur das Aufatmen einer veränderten Stadt und das veränderte Land meiner sächsichen Großeltern, sondern auch veränderte, erleichterte, glückliche Menschen.
In diesem Herbst 1989 habe ich erlebt, wie Mütter und Väter mit ihren Kindern an der Hand, wie Großeltern mit ihren Enkeln für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit demonstrierten. Und ich erinnere mich noch gut an die legendäre Aufforderung der Demonstranten an sich selbst und an die Staatsmacht: „Keine Gewalt“. Das dies alles dann tatsächlich auch ohne Gewalt verlaufen ist, danken wir alle nicht zuletzt Michail Gorbatschow.
In den letzten Tagen, Wochen und Monaten erleben wir nun wieder solche großen, ja teilweise riesige Demonstrationen und das weltweit.
1 Million in London,
500.000 in Berlin,
200.000 in New York,
vorigen Montag 20.000 in Leipzig,
und heute Tausende hier in Dresden.
Das ist heute nicht der Protest einer radikalen Minderheit gegen den Krieg, das ist der feste Wille der Menschen dieser Stadt und der großen Mehrheit unseres Landes. Dresden ist, wie kaum eine andere Stadt, am 13. Februar 1945 zu einem Fanal gegen den Krieg geworden. Aber wir wissen auch, dass dieser Aufschrei schon vorher ausging von Guernika und Coventry und im millionenfachen Völkermord der Nazis endete.
Wir vergessen nicht, dass es die Menschen der damaligen Sowjetunion waren, die zu Millionen Blutzoll zahlten und die Nazis wieder dahin trieben wo sie herkamen. Wir wissen, dass unsere freiheitliche Demokratie damals nicht zuletzt möglich wurde durch Hilfe der Amerikaner, Engländer und Franzosen. Unsere Unternehmen werden noch heute gefördert durch Zins und Zinseszins der Marschallplanmillionen. Das haben wir nicht vergessen.
An diesem 8. März 2003 stehen wir hier auf dem Dresdner Schlossplatz zu einer machtvollen Manifestation gegen den drohenden Krieg im IRAK.
Wir sagen nein zu einem Krieg, der Leid schafft und niemals Leid lindern kann.
Wir sagen nein zu einem Krieg, der unvorstellbar neuen Hass säht und Menschen und Kulturen gegeneinander aufbringt und ihr friedliches Zusammenleben vergiftet statt sie zusammenzuführen.
Wir sagen nein zum Bruch aller Prinzipien der Rechtstaatlichkeit und des Völkerrechts.
Wir sagen nein zum Niedertrampeln der unveräußerlichen Menschenrechte.
Was mich heute freut ist, dass die Menschen nicht teilnahmslos in Selbstzufriedenheit abseits stehen, sondern überall auf der Welt wieder darüber nachdenken, was Krieg bedeutet.
Eines wundert mich allerdings sehr. Ich frage, auf welcher Seite steht die Regierung dieses Landes? Wo steht die Sächsische Staatsregierung heute? Steht sie auf der Seite der Kirchen, der Bischöfe, des Papstes?
Und ich frage, wo ist der Ministerpräsident des Freistaates, ist er hier und demonstriert mit uns, ohne wenn und aber, für den Frieden, gegen den Krieg im Irak? Ich finde, Prof. Milbradt sollte hier sein und wie Papst Johannes Paul, gegen die Kultur des Todes aufstehen - wenn der sagt:
„Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit und er ist niemals ein Weg zur Lösung von Problemen zwischen Nationen.“
Unsere Außenpolitik wird von drei Prinzipien geleitet. Dem Prinzip der Freiheit, dem Prinzip des Friedens und dem Prinzip des Rechts und der Rechtsstaatlichkeit.
Ja, es ist vollkommen unbestritten: Saddam Hussein ist ein übler Diktator, der seine Mitbürger unterdrückt, foltert und mordet. Ich kenne niemanden der ihn nicht lieber heute als morgen loswerden würde.
Saddam Hussein verfügt immer noch über ein mächtiges Waffenarsenal. Wir müssen wissen, was für Waffen sind das? Wir müssen dafür sorgen, dass er seine Massenvernichtungswaffen zerstört.
Dazu haben wir die Inspektoren – und wie wir in den letzten Tagen und Monaten gesehen haben, arbeiten sie inzwischen sehr erfolgreich. Allein während der Waffeninspektionen von 1991 bis 98 wurden mehr irakische Massenvernichtungswaffen zerstört als während des Golfkrieges von 1991.
Deutschland ist keinen leichten Weg gegangen. Aber es war richtig, zusammen mit Frankreich und Russland und anderen Ländern, die Rolle der Inspektoren zu stärken. Deutschland steht heute nicht allein, sondern hat viele Partner und wichtige Freunde in der Welt.
Gerhard Schröder ist nicht, wie Angela Merkel der Papagei des amerikanischen Präsidenten.
Von diesem Schlossplatz in Dresden geht eine Botschaft aus:
Die Menschen in Deutschland wollen keinen Krieg.
Diese Demonstration ist ein Signal von Dresden nach Berlin, nicht nachzulassen in der Ächtung dieses Krieges, der uns eingeredet werden soll.
Diese Demonstration stärkt denen den Rücken, die von Anfang an sich nicht haben irre machen lassen von falscher Kumpanei und Desinformation.
Weiter so, Gerhard Schröder und Joschka Fischer!
Dieses Signal von Dresden geht nach Europa, es geht in die Welt und es geht nach Washington ins weiße Haus.
Dieses Signal lautet unmissverständlich:
Herr Bush,wir wollen Ihren Krieg nicht!
Vor 371 Jahren, im Jahre 1632, schrieb der Philosoph Benedictus Spinoza:
„Friede ist nicht die Abwesenheit von Krieg. Friede ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen und Gerechtigkeit.“
Diese Worte sind heute genauso aktuell wie damals. Sie könnten Leitmotiv dieser Friedensdemonstration sein.
Wir wissen, nur eine konsequente Friedenspolitik wird im Nahen Osten Frieden stiften können.
Wir wissen, nur eine konsequente und faire Entwicklungspolitik wird die Völker überall auf der Welt befrieden und Terrorismus zurückdrängen.
Und wir wissen, wir können dem Terrorismus den Nährboden entziehen, in dem wir helfen den Menschen überall auf der Welt Perspektiven für menschenwürdiges Leben zu geben.
Dies tun wir, indem wir die Menschenrechte achten, indem wir beim Aufbau der Demokratien helfen und indem wir alle Menschen am Reichtum dieser Welt gerecht beteiligen.
Wir werden nicht akzeptieren, dass Krieg nur die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln sein soll.
Wer militärische Gewalt gegen souveräne Staaten will, darf dies nur in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen tun.
Das Völkerrecht hat sich in Jahrhunderten entwickelt. Es beruht vor allem auf dem Grundsatz des Gewaltverbotes. Dieses Gewaltverbot ist unveräußerlich.
Übrigens, die treibende Kraft bei der Ausgestaltung des Völkerrechts und bei der Gründung der Vereinten Nationen waren einmal die Vereinigten Staaten von Amerika – mit ihren Präsidenten Wilson und Roosevelt.
Ich wünsche mir, dass Amerika sich dieser Tradition wieder bewusst wird.
Diese Dresdner Friedensdemonstration ist auch eine Unterstützung für die Hunderttausenden Bürger, die in den USA gegen den Krieg demonstriert haben und weiter demonstrieren.
Wir wünschen diesen mutigen Bürgern, dass es täglich mehr werden, dass wir gemeinsam Erfolg haben.
Wir rufen ihnen zu, lasst nicht nach, für den Frieden zu kämpfen.
Wir rufen ihnen zu, haltet diesen Krieg auf.
Wir rufen ihnen zu, haltet diesen Präsidenten auf, der mit dem Pulverfass spielt.
Wir lassen uns für diesen Krieg nicht weichkochen und sagen unmissverständlich:
„Keine Ölbrüderschaft mit diesem Präsidenten, der sich vorbereitet hat, das weiße Haus in eine blutige Leichenhalle zu verwandeln,
- für den Leichenberge nur Kollateralschäden sind,
- und Massenmord der Preis der Freiheit ist.
Mit diesem Krieg, wenn er ihn befiehlt, mit diesem Wahnsinn, stellt er sich auf eine Stufe mit den Terroristen des 11. September 2001.
Bush stellt sich damit ins Aus.
George W. Bush sollte ins Exil gehen!“
In den letzten 100 Jahren stand Germany dreimal in Riesenlettern auf der Titelseite der englischen Zeitung „The Times“. Zweimal ging es darum, dass Deutschland Nachbarländer überfallen hatte. Vor wenigen Wochen konnte man aber lesen:
„Germany blocks the road to war“ – Deutschland blockiert den Weg zum Krieg.
Auf ein solches Deutschland, dass den Weg zum Krieg blockiert, können wir stolz sein.
Wir können stolz sein auf ein Deutschland, dass auf unveräußerlichen Menschenrechten besteht.
Wir können stolz sein auf ein Deutschland, das Frieden stiftet.
Mit Bertold Brecht wünsche ich mir für die Politik der Vereinigten Staaten:
„Daß dort ein gutes Land erblühe,
wie ein anderes gutes Land.
Daß die Völker nicht erbleichen,
wie vor einer Räuberin,
sondern ihre Hände reichen
so wie anderen Völkern hin.“
Danke ...