Plenum des Sächsischen Landtags, Aktuelle Debatte, 11.07.2003
Rede zur Ausbildungsplatzoffensive der SPD Landtagsfraktion
"Ein Quäntchen mehr Menschlichkeit wünsche ich mir von den sächsischen Unternehmern."
Heinrich Nordhoff, der legendäre VW Chef, hat 1951 einen Leitsatz formuliert, der Grundgedanke eines jeden modernen Unternehmers sein sollte.
„Der Wert unserer Unternehmen, das sind nicht die Häuser, nicht die Maschinen und nicht die Bankkonten, der Wert unserer Unternehmen, das sind die Menschen, die bei uns arbeiten und der Geist in dem sie es tun.“
Das ist auch mein Leitspruch als sozialdemokratischer Unternehmer.
Als Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Druck und Medien in Sachsen Thüringen und Sachen-Anhalt und Sprecher für einige hundert Unternehmen sage ich:
„Unser wichtigstes Kapital sind die
Menschen, die bei uns arbeiten.
„Ohne starke Ausbildung wird es keine starken Betriebe geben.“
Ausbildung ist kein Gnadenakt, sondern lebens- und überlebenswichtige Investition in die Zukunft unserer Unternehmen.
Es stimmt doch immer noch, Besonnenheit und Vorausschau sind die Grundtugenden eines vorsichtigen Kaufmanns.
Aber, wer in Krisenzeiten aufhört zu investieren und aufhört an das Morgen seines Unternehmens zu denken, produziert Sargnägel und nicht Zukunftsfähigkeit.
Das ist in der Politik ebenso!
Deshalb dürfen wir nicht an dem Ast sägen, von dem unsere gesamte Zukunft abhängt, nämlich der Bildung und Ausbildung unserer jungen Facharbeiterinnen und Facharbeiter.
Das Duale Ausbildungssystem in Deutschland, um das uns viele Länder dieser Welt beneiden, ist ein gesellschaftliches Bündnis, das ohne die Selbstverpflichtung der Unternehmen ihren wichtigen Teil auch tatsächlich dazu beizutragen, nicht funktioniert.
Mit 44% ist Sachsen das Flächenland mit dem geringsten Anteil an ausbildungs-berechtigten Betrieben. Der Bundesdurchschnitt beträgt 58%.
Und Sachsen ist mit 23% das Schlusslicht der Flächenländer beim Anteil der aktiv ausbildenden Betriebe.
Hier sind die Defizite und die Staatsregierung muß alles Erdenkliche tun, das Potenzial an ausbildenden Betrieben auch wirklich auszuschöpfen.
Für kleine Unternehmen sind die Hürden einer Ausbildung ungleich höher, obwohl es gerade die kleinen Unternehmen sind, die sich ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung bewusster sind, als die gehätschelten armen Großunternehmen.
Bringen wir unsere sächsischen Unternehmen zum wachsen, helfen wir ihnen, sich nach den wilden und mutigen Jahren des Aufbaus zu konsolidieren,
dann schaffen wir eine starke wirtschaftliche Basis für unser Land und machen den Mittelstand und das Handwerk zukunftsfähig.
Wir müssen aber auch aus einem anderen Grund bereits heute in die Ausbildung der jungen Menschen und in die Qualifizierung unserer Facharbeiter investieren.
Dies sage ich auch in meinem Arbeitgeberverband immer wieder – und wir alle können dies nicht oft genug sagen und tun!
Kleine Betriebe verfügen kaum über strategisches Personalmanagement, also vorausschauende Personalplanung. Sie kümmern sich kopfüber um Aufträge, Produktion und Finanzierung, um die tägliche Zwangsjacke.
Dabei müssen sie übersehen, dass sich in 2004 bis 2005, die Zahl der Lehrstellen-bewerber massiv reduzieren wird – aufgrund des enormen Geburtenrückgangs Anfang der 1990er Jahre und dann auf niedrigem Niveau bleiben wird.
Und sie übersehen, dass wir in wenigen Jahren, zur selben Zeit, massiv Eintritte der älteren Kollegen in die Rente haben werden.
Also eine Halbierung der Zahl der 15jährigen und zugleich eine Verdoppelung der Zahl der 60jährigen.
Dann fehlen uns qualifizierter Nachwuchs und noch mehr Facharbeiter. Weil sie entweder nicht geboren wurden oder inzwischen abgewandert sind. Und mit ihnen sind auch unsere Bildungs-investitionen in Krippen, Kindergärten, Schulen und Hochschulen abgewandert.
Statt hier endlich etwas zu tun, antwortet der sächsische Wirtschaftsminister, Dr. Martin "Eriwan", in seiner großen Weisheit auf die demographischen Herausforderungen der Zukunft, Zitat:
„Wir haben in Sachsen kein Problem mit der Abwanderung, wir haben nur ein Problem mangelnder Zuwanderung.“ Mein Gott Martin ...
Zum Schluß ein praktisches Beispiel:
Wir wollten Buchbinderlehrlinge einstellen und hatten viele gute Bewerber. Ich habe ganz bewusst nicht den Besten aus Dresden und Umgebung genommen, sondern einen jungen Mann aus Hoyerswerda, der ohne uns keine Chance gehabt hätte. Und er hat sich gut entwickelt.
Auch dieses Quäntchen Menschlichkeit wünsche ich mir von den sächsischen Unternehmern.
Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.