Plenum des Sächsischen Landtages, 11. Sitzung, 09.03.2005
Antwort auf die Regierungserklärung zur SachsenLB
Rede des wirtschaftspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Karl Nolle
„Das Beispiel der Berliner Bankgesellschaft hat gezeigt, was auf ein Land und seine Bürger zukommen kann, wenn ein außer Kontrolle geratenes landeseigenes Kreditinstitut in die Krise gerät und die politische Kontrolle letztlich restlos versagt. Das muß uns Warnung sein.“
Herr Präsident, meine Damen und Herren der demokratischen Parteien ...
Nach dem für die SachsenLB und das Land katastrophalen Urteil des OLG Dresden, des höchsten sächsischen Zivilgerichts, im Januar 2005 war klar, zwei aus den Fugen geratene Manager und eine in Führungsposition gehiefte Liebschaft waren nun endgültig zu einem verhängnisvollen Trio für den Ruf der Bank bei Kunden und Partnern geworden. Die Zeit war überreif für personelle Konsequenzen und einen Neuanfang.
Das Problem war nie, die SachsenLB, sondern ihre Vorstandsspitze, auch wenn man fragen muß, was unter heutigen Bedingungen eigentlich der Mehrwert der Bank für Sachsen und die Sächsische Wirtschaft ist. Berücksichtigt man das normale sächsische Sparkassenengagement, so bleiben von den ursprünglich 20 % noch real 2 % regionale Landesbank Geschäfte in Sachsen.
Das andere sind zum Teil hochspekulative Finanztransaktionen in Dublin mit einer Tochter, die für die Aufsichtsgremien wie eine Blackbox erscheint, sowie die Finanzierung von Hollywoodfilmen, Kreuzfahrtschiffen, selbst von Mobilcom-Schmidt, nebst Pleite-Immobilien an der Kieler Förde und ebensolche Goldstücke in Dorsten und Berlin. Die Landesbank zählt selber über dreihundert kleine und große Beteiligungen.
Meine Damen und Herren, Politische Affären laufen meist nach einem einfachen Strickmuster ab, schrieb Dieter Soika, Chefredakteur der Freien Presse, vor einiger Zeit:
Erste Stufe Desinformation: Die Beteiligten geben sich als die Unwissenden aus und behaupten, sie hätten noch nie von der Sache gehört.
Zweite Stufe Schuldzuweisungen: Die Akteure spielen das Unschuldslamm und wollen glauben machen, andere hätten die Sache zu verantworten.
Dritte Stufe Verfolgungswahn: Die Täter schminken sich zu Opfern um und beklagen, dass Medien und Opposition eine Kampagne gegen sie führten.
Vierte Stufe Wohltäter: Wenn alles Ablenken, Vertuschen, Leugnen und Verdrehen nicht mehr nützt, rechtfertigen die Verantwortlichen ihr Treiben damit, sie hätten es doch nur gut gemeint.“ so Dieter Soika und er schrieb weiter:
„Verlorenes Vertrauen kann nur wieder hergestellt werden, wenn Offenheit herrscht, wenn Reden und Handeln nachprüfbar eine Einheit bilden, wenn auf der Hand liegende Fehler eingestanden und daraus Konsequenzen gezogen werden.“
Ich stimme ihm da voll zu.
Natürlich, meine Damen und Herren, trifft das so nur auf andere Bundesländer zu, nicht auf uns. Auf Bundesländer, in denen Politiker das Gedächtnis der Wähler sträflich unterschätzen und ihren über Jahre erhaltenen Vertrauensvorschuss leichtfertig verspielen. Dort schwindet bei Regierenden und die sie tragenden Parteien, mit nachlassender Selbstkritikfähigkeit, die Fähigkeit zur Selbstreinigung, ja zur Selbstregulierung. Manchmal soll sich solcherlei Realitätsferne auch bei Wahlen bitter rächen.
Meine Damen und Herren, Politiker sind weder sakrosant, noch unsterblich oder unfehlbar, nicht anderswo und auch nicht hier. Sie machen nicht alles richtig, sie wissen nicht alles und sie machen Fehler. Der Anfang vom Ende allerdings ist es, Fehler nicht rechtzeitig einzuräumen, zu zaudern und zu zögern – und – Entschuldigung – sich nicht zu korrigieren.
Wie Sie merken, spreche ich nicht von Sachsen.
Wie das hier in Sachsen ist, beschrieb Ulli Gericke in der Börsenzeitung am 12. Januar 2005: „Krisenmangemanagement sieht anders aus. Obwohl die Sachsen LB seit Monaten wegen ihres ungenügenden Schattenratings "BBB+" unter verschärfter Beobachtung steht, spielt das Land als Gewährträger toten Käfer.“
Über 150 Zeitungsartikel zu den Problemen mit der SachsenLB, nicht von den üblichen Verdächtigen sondern: Handelsblatt, Börsenzeitung, Financal Times Deutschland, Managermagazin, WELT, Spiegel, Süddeutsche, FAZ, FR und natürlich den großen sächsischen Zeitungen. Alle sollen sich geirrt haben, hörte ich, denn bei uns herrschen Sachverstand, Aufklärungswille, Führungsstärke und überzeugende Persönlichkeiten. Das wissen auch die Ratingagenturen und gottseidank lesen die ja keine Zeitungen.
Sie lesen gottseidank auch nicht, meine Damen und Herren, die Sächsische Zeitung vom 5. Februar 2005, denn dort mahnt Ulrich Wolf unter der Überschrift:
„Auf dem Weg ins Amigo-Tal“ über die sächsische Landesbank und ihre Kreditrisiken, ich zitiere: „Das Fass ist voll. Wieder einmal rückt ein Geschäft der sächsischen Landesbank ins Blickfeld, für das sich die Leipziger Bankmanager vermeintlich professionelle Partner gesucht haben. Diesmal ist es der Hamburger Millionär und Immobilienunternehmer Lutz Ristow, der sich um schwer vermietbare und finanziell angeschlagene Projekte der Landesbank kümmern soll. Das Geldhaus ist ihm dabei weit entgegengekommen. - Zu weit.
Dass Banken ihre Kreditrisiken teilweise auslagern oder am Kapitalmarkt verkaufen, ist nicht ungewöhnlich. Das entlastet die Bilanz und verbessert die Ergebnisse. Doch Ristow scheint in der Gestalt des Mephisto gekommen zu sein.“
Ich zitiere weiter: “Freundschaft, auch unter den Eliten, ist wichtig. Doch im Fall der Landesbank ist der Grat der Loyalität überschritten, der Rutsch ins dunkle Tal der Amigo-Wirtschaft kaum noch aufzuhalten. Staatsanwälte ermitteln. (...)
Durchgreifen und Aufspringen statt Aussitzen ist angesagt. Weichen stellen für eine gesunde und vor allem transparente öffentlich-rechtliche Finanzgruppe in Sachsen. Nur das hat dieses Land verdient – und nicht das Bewahren persönlicher Pfründe um jeden Preis.“ soweit Ulrich Wolf.
Nochmal zur Real:
1) Beide Ristow Immobilien haben mit Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren nichts zu tun und sie befanden sich auch vor Kauf nicht bei der SachsenLB.
2) Es handelt sich dabei in keiner Weise um wirtschaftliche oder marktübliche Bedingungen. Was ist denn streng wirtschaftlich oder marktüblich, wenn der Kaufpreis, wie der Spiegel schrieb, und durch Kreditunterlagen belegt, mehr als das Doppelte des errechneten Verkehrswertes ausmacht somit um 43 Millionen überhöht ist. Was ist marktüblich, wenn dem Verkäufer auch noch eine Mietgarantie in Höhe von 10 Mio mit finanziert wird?
3) Rückstellungen sind vom Bafin ausschließlich für das Städtische Kaufhaus in Leipzig in Höhe von 10 Millioen veranlaßt worden, auf keinen Fall für die beiden ruinösen Ristow-Immobilien Reclam-Carree und Bürohaus in Dresden
4) Auch der Kreditausschuß wurde sehr kreativ umgangen. Immerhin gab es damals zwei warnende Stimmen gegen den Eilbeschluß des Vorstandes vom 17.12.02. Denn durch den Trick mit dem Eilbeschluss brauchte der Vorstand nicht die Zustimmung des Kreditausschusses, nur seine Kenntnisnahme, obwohl die Sache erst fünf Monate später notariell umgesetzt wurde.
5) Der Schaden für die Eigentümer der SachsenLB beträgt mindestens diese 43 Millionen Euro. Oder wie soll man die Transaktion zulasten des Steuerzahlers und der sächsischen Sparkassen anders bezeichnen. Das alles war kein böser Traum, meine Damen und Herren, was könnten wir alles mit diesen verbrannten 43 Millionen Euro machen, für Arbeitsplätze, für Bildung, für unsere Kinder ...?
Ja es sind kleinere Dimensionen in Sachsen als in Berlin, aber angesichts solcher Beispiele von Abzockerei bei einem öffentlich rechtlichen Kreditinstitut, habe ich im Januar die Befürchtung geäußert, daß sich Ähnliches abzeichnet, wie bei der Berliner Bank, zum Schaden des Freistaates und seiner Bürger. Die SachsenLB hat eine Zukunft - aber nur mit Wahrheit und Klarheit und neuem Vertrauen. Wir sind dabei sehr auf der Seite der sächsischen Sparkassen, der Landräte und der Bürgermeister, wenn diese immer lauter und dringender fordern: „Eine objektive Transparenz der Risikostruktur der Landesbank und der Tochterunternehmen ist erforderlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit ihrem Beitrag (der Kapitalerhöhung) die Sparkassen erheblich an der Ertrags und Risikolage der SachsenLB partizipieren. Insofern ist auch darüber nachzudenken, wie das Risiko-Management künftig aktiv in einer Gremienstruktur begleitet werden könne (was ja bisher nicht existiert.).“ (Protokoll Koordinierungssausschuss der Sachsen-Finanzgruppe vom 5.1.05, Seite 3)
Die endliche Abberufung von Weiß, Fuchs und nun gestern Braun ist auch Ausdruck einer Vertrauenskrise die innerhalb und außerhalb der Bank besteht. Vertrauen nach innen und außen kann nur von einer neuen Führungsgruppe geschaffen werden, die erkennbar die uneingeschränkte Unterstützung der Anteilseigner erfährt, die Interessen der Belegschaft tatsächlich ernst nimmt und erforderliche Veränderungen für ein wieder humanes Betriebsklima befördert. Nach den von der Bank vorgelegten Zahlen für den vorläufigen Jahresabschluss 2004 (mit deutlicher Reduzierung des Zinsertrages bei deutlicher Steigerung des Beteiligungsergebnisses – inklusive Dublin-Tochter) ist erkennbar, dass die Ertragslage des Konzerns in 2004 im wesentlichen von der Tochtergesellschaft in Dublin abhängig war.
Eine Reduzierung dieser ertragsseitigen Abhängigkeit von der Dublin-Tochter könnte keineswegs ad hoc, sondern nur auf Zeit erfolgen. Entgegen anderer Behauptungen ist das (BBB+) Rating, der Sachsen LB für die Zeit nach Wegfall der Gewährträgerhaftung vor allem für Dublin ein Problem, die eine Stufe schlechter geratet ist, als ihre Mutter, nämlich mit (BBB). Das Problem der Kapitalerhöhung betrifft daher primär die Tochter in Dublin.
Die SachsenLB selbst hat weder unter KWG-, noch unter wirtschaftlichen Aspekten ein Kapital- oder Liquiditätsproblem. Sie allein könnte im Zweifel auch mit einem Rating von „BBB+“ bei entsprechender Anpassung der Strategie und Geschäftssegmente überleben. Dazu aber ist wichtig, alle Lösungsansätze der vergangenen Monaten noch einmal neutral, und das sage in in Ihre Richtung Herr Ministerpräsident, ohne jegliche Verkrampfung zu überprüfen. Ruhe ist angesagt.
Dies gilt m.E.auch für die bereits auf der Ebene der Sachsen-Finanzgruppe aufgenommenen Gespräche um die künftige Ausrichtung und Kapitalaustattung der Bank. Mögliche Alternativen zur Einbringung von eigenem Kapital, d.h. Liquidität der Anteilseigner durch Nutzung anderer Finanzierungskonzepte (z.B. geplante Anleihe der SFG über 400 mio Euro) sind auf ihre Folgen und das damit verbundene Risikoprofil dringend zu prüfen. Die Sparkassen der SFG haften in dem Falle gesamtschuldnerisch und das können sie bei einem 5 Millardenengagement, das angestrebt wird, nur bei außergewöhnlichem Vertrauen und außergewöhnlicher Tranzparenz für ihre Institute verantworten.Ihre Interessen müssen wir dabei besonders ernst nehmen. Gegen die sächsischen Sparkassen oder zu ihren Lasten geht nichts.
Verstärkt müssen wir in dieser laufenden Diskussion auch die Frage des Mehrwertes der Bank für ihre Anteilseigner und für Sachsen stellen. Dies nicht nur unter dem Gesichtspunkt erhofften Ausschüttung, sondern auch unter dem Aspekt einer zukünftigen Aufgabenteilung zwischen regionalen Sparkassen und der Landesbank. Hierbei muß künftig, entsprechend „Monti-Kompromiss“, getrennt werden, zwischen Wettbewerbsgeschäften (Sparkassen, Landesbank) und strukturpolitischen Aufträgen (Förderbank, SAB). Die von den abberufenen Vorständen selbst über Monate geschaffene Vertrauenskrise erfordert die Prüfung aller erhobenen Vorwürfe, ohne Ansehen der Personen. Ebenso müssen die wesentlichen und/oder unmittelbaren Beteiligungen der Bank auf den Prüfstand.
Seit Jahren wird in der Öffentlichkeit über eine Erhöhung der Anforderungsprofile von Aufsichtsräten diskutiert; daher ist es grundsätzlich notwendig, zu überlegen, wie die Kontrollorgane öffentlicher Unternehmen – auch die der SachsenLB - hinreichendes fachspezifisches Know-how erhalten, Kontrolle auch faktisch wahrnehmen zu können ohne bei Lachsbrötchen und Schampus in tiefen Teppichen zu versinken.Das Beispiel der Berliner Bankgesellschaft hat gezeigt, was auf ein Land und seine Bürger zukommen kann, wenn ein außer Kontrolle geratenes landeseigenes Kreditinstitut in die Krise gerät und die politische Kontrolle letztlich restlos versagt. Das muß uns Warnung sein.„Die Berliner Bankgesellschaft war kein Sonderfall“, schreibt Mathew D. Rose in seinem Buch „Eine ehrenwerte Gesellschaft“, „sie ist nur vielen anderen Banken fünf Jahre voraus. Die Namen der Manager sind austauschbar, die Kontrollinstanzen sind die selben.“
Lassen sie mich zum Schluß den Mitarbeitern der SachsenLB danken, die für eine gläserne Bank gesorgt haben, damit die Notbremse gezogen werden konnte. Ihr Mut und ihr soziales Engagement, bei eigener existenzieller Gefährdung, ist das genaue Gegenteil der Raffgier, der unakzeptablen Methoden und der Selbstbedienungsmentalität, der abberufenen, angeblich so hochtalentierten und so hochgelobten Bankmanager.
Herr Finanzmister, Sie sind die Rechtsaufsicht, Sie sind Verwaltungsratvorsitzender, Sie tragen eine Riesenverantwortung für die SachsenLB und den Neuanfang. Sie müssen es unbeirrbar tun, niemand anderes. Wir unterstützen Sie dabei.