Dresden, Plenarsaal im Sächsischen Landtag, 14.12.2000
Umstrukturierung der ostdeutschen Energiewirtschaft
Rede im Plenum des Sächsischen Landtages
Anrede
Werter Herr Schommer, werter Herr Lämmel, ich bin untröstlich, daß ich Ihnen am Dienstag Abend keine Freude durch Anwesenheit und durch ausgewogene Redebeiträge hier machen konnte. Ich verspreche Ihnen, das hole ich gerne nach.
Aber im Unterschied zu manch einem Kollegen dieses hohen Hauses, meine Damen und Herren, lege ich Wert auf praktische Erfahrungen, die ich als Unternehmer eines 60 Mann Betriebes und als Arbeitgeberverbandsvorsitzender Druck und Medien in Sachsen/Thürigen und Sachsen Anhalt sammele. Was anderes als konkrete Erfahrungen können denn Grundlage von Politik sein.
Während Sie sich also mit Selbstlob und Spiegel-fechtereien befaßt haben, Herr Schommer und Herr Lämmel, habe ich konkrete Verbands- und Unternehmenspolitik betrieben. Nun zu einem Dank.
Ich möchte mich ausdrücklich bei der CDU-Fraktion dafür bedanken, daß sie das Thema „Umstrukturierung der ostdeutschen Energiewirtschaft“ auf die heutige Tagesordnung gesetzt hat. Die Behandlung dieser Thematik ist alles andere als einfach.
Wir begeben uns dabei in ein hochkompliziertes Geflecht unterschiedlichster Interessenlagen und Einflüsse. Viele Akteure wirken an mehr oder minder langen Hebeln, die da heißen: Gesellschafteranteile, europäische Richtlinien, Energiewirtschaftsgesetz, Kartellrecht, etc. Dazu läuft dies auch noch in einem schwierigen Markt-Umfeld ab, von Preisverfall und Überkapazitäten.
Wer auf diesem Feld nach einfachen Lösungen und kernigen politischen Botschaften sucht, der wird nicht fündig werden.
Sehr wahrscheinlich ergeht es ihm wie unlängst den Kollegen des hohen Hauses, die das Stillegungs-Gebarme der VEAG-Alteigentümer für bare Münze genommen haben. In jener ersten Phase - als die Alteigentümer auf der Jagd nach Subventionen waren - haben sie die VEAG systematisch kleingeredet, wollten das Unternehmen für eine einzige Mark verscheuern. Bis sich dann wirklich erste Interessenten meldeten.
In der zweiten Phase - als klar war, daß verkauft werden muss - schlug das ganze ins blanke Gegenteil um: Plötzlich sollte die VEAG sage und schreibe
12 Mrd. DM wert sein, nicht Jahre oder Monate - nur wenige Wochen lagen zwischen den beiden Aussagen. Fazit: Vermintes Gelände - wohin man auch blickt.
Aber die Tragweite der anstehenden Entscheidung ist riesengroß. Es geht schließlich um einen Industriezweig, der für Ostdeutschland - speziell für strukturschwache Räume in Sachsen und Brandenburg - von existenzieller Bedeutung ist.
In der dem Berichtsantrag beigefügten Resolution der ostdeutschen Wirtschaftsminister steht in aller Klarheit geschrieben, worum es geht:
1.) Um die Etablierung einer unabhängigen vierten Wettbewerbskraft mit Sitz in Ostdeutschland.
Dazu zwei Anmerkungen:
Erstens - wäre ein Groß-Verbund VEAG-BEWAG-LAUBAG mittelfristig sogar die Nummer 3 in Deutschland - nach e-on und RWE (und noch vor den Baden-Württembergern).
Zweitens - Würden wir liebend gerne über den „Sitz in Ostdeutschland“ hinausgehen und sagen - „mit Sitz z. B. in der Lausitz“. Berlin würde deswegen nicht sterben - für die Lausitz wäre es indes ein Aufbruchssignal.
Auf jeden Fall muss sichergestellt sein, das die Töchter der neuen Gesellschaft ihre Sitze „Vor-Ort“ einnehmen. „Vor-Ort“ heißt für mich auch nicht - Berlin.
2.) Muss eine ausreichend hohe Verstromung ostdeutscher Braunkohle gewährleistet sein; und ausreichend heißt - in Zahlen ausgedrückt - netto 50 Terrawattstunden (TWh) pro Jahr.
3.) Die vorhandenen Arbeitsplätze müssen un-bedingt gesichert - neue Arbeitsplatze sollten möglichst geschaffen werden ... dies gilt auch (oder sogar ganz besonders) für LAUBAG und MIBRAG. Da sind wir jetzt näher dran als vorher!
Wie sind die genannten 3 Ziele erreichbar?
Was kann die Politik dafür tun?
Bei der Veräußerung der VEAG-Mehrheitsanteile ist vornehmlich darauf zu achten, dass das Unter-nehmen als eigenständiger Akteur am Energiemarkt erhalten bleibt und somit als langfristig gesicherter industrieller Kern in Ostdeutschland.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die damalige Aufteilung der ostdeutschen Energiewirtschaft unter den sieben Kartell-Schwestern aus dem Westen war ein schlimmer Fehler.
Und wir haben „Riesenschwein“ gehabt, dass das Kartellamt e-on und RWE zur Aufgabe ihrer Gesellschafteranteile verpflichtete.
Wäre dieser Spruch nicht ergangen - man hätte die VEAG ohne jeden Zweifel früher oder später zerlegt und wir könnten heute vom Weihnachtsmann träumen - aber nicht von einem großen und starken ostdeutschen Energieunternehmen, von jener „großen Lösung“, die - durch Einbeziehung der Braunkohleförderunternehmen und der Regionalversorger - alle Wertschöpfungspotentiale der Energieproduktion und Energievermarktung in einem Unternehmen zusammenfasst.
Dadurch wird das künftige Unternehmen eine hervorragende Marktposition einnehmen können.
Und die supermoderne Kraftwerksflotte der VEAG bedeutet - nach dem baldigen Ende der enormen Abschreibungslasten - ein Kapital von unabschätzbarem Wert, auch wenn dies die stillen Reserven der VEAG sind, wie Kaufleute sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht die zentrale Frage, wer die neuen VEAG-Gesellschafter sind. Noch nicht einmal die zukünftige Struktur des Unternehmens ist von entscheidender Bedeutung.
Wichtig ist vor allem ein tragfähiges Unternehmenskonzept. Am Konzept entscheidet es sich schlussendlich, ob bzw. welche langfristige Perspektive die einzelnen VEAG- bzw. LAUBAG-Standorte erhalten werden.
Der Bund - der den Anteilsänderungen zustimmen muss - tut also gut daran, die Neueigentümer nicht durch neue vertragliche Auflagen in ihrer unter-nehmerischen Handlungsfreiheit zu beschränken, sondern seinen Einfluss (der sich ja eigentlich auf ein Vetorecht reduziert) darauf zu konzentrieren,
dass wirklich das - an den vorgenannten Kriterien bemessene - beste Gebot den Zuschlag bekommt.
Das hätte meinetwegen von den Osterinseln oder aus dem Süden der USA kommen können. Da kann man wenigstens sicher sein, dass die Energie in Ostdeutschland produziert und nicht etwa aus Überkapazitäten der Muttergesellschaft von sonst wo ins hiesige Netz eingespeist wird.
Fast 100%-ig können wir jetzt wohl davon ausgehen - daß Vattenfall / HEW den Zuschlag erhält und ich glaube, dass wir mit dieser Lösung leben gut können.
Auch in Schweden ist der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossene Sache - so dass im Mutter-konzern mittelfristig kaum Überkapazitäten bestehen dürften.
Vattenfall hat - speziell im Vergleich zu Southern Energy - den Vorteil einer großen Lösung, d.h. ein Imperium VEAG / BEWAG / HEW / LAUBAG
Eine solche Marktmacht würde auch die MIBRAG-Eigner, die bekanntermaßen nicht an die Kartellauflage gebunden sind, dazu verleiten, über Verkauf bzw. Einstieg nachzudenken. ENVIA Chemnitz wird wohl bei RWE bleiben.
Für Vattenfall / HEW spricht weiter, dass das HEW - KKW Stade - demnächst vom Netz geht - also ersetzt werden muss. Auch im Bereich der BEWAG sind unwirtschaftliche Anlagen zu ersetzen.
Schlussendlich bleibt noch der Fakt, dass Vattenfall ein schwedischer Staatskonzern ist mit positi-ver Mitbestimmungskultur und sozialer Verantwortung, also sozialdemokratischen Grundwerten. Das sind gute Aussichten!
Auch die Zeit arbeitet für die VEAG, weil:
1) Sich nach dem baldigen Ende der großen Abschreibungsbelastungen die hochmodernen Braunkohlenkraftwerke im Osten in wahre Gelddruckmaschinen verwandeln werden.
2) Dank der Energiepolitik der rot-grünen Bundesregierung und dem Segen des Ausstiegs aus der unbeherrschbaren Atomenergie, brauchen wir für die wichtige Säule der Grundlastversorgung, nämlich der Stromherstellung aus Kohle, keine Konkurrenz fürchten.
Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, werter Herr Minister Schommer, wenn es darum geht, die Arbeitsplätze in der ostdeutschen Energie- und Braunkohlenwirtschaft zu erhalten und damit wichtigen und bedürftigen Regionen unseres Landes die Lebensgrundlage zu sichern und eine Zukunft zu geben, werden dies die sächsischen Sozialdemokraten mit ganzem Herzen unterstützen.
Danke für die Aufmerksamkeit.