DNN, 20.02.1999
Ein Dresdner Vorzeigedrucker als Kulturmäzen
Karl Nolle engagiert sich für Kunst und Gesellschaft
Am 8. November 1989 hatten
Karl und Christl Nolle das Visum für die Reise in die DDR erhalten, das Karl beantragt hatte, als die Umbruch-Wellen sich über Prag und Ungarn ausbreiteten.
Am 9. November hörten sie im Auto zwischen Magdeburg und Dessau, was in Berlin geschah, und in der Nacht diskutierten sie mit Freunden in Dresden stundenlang. „Das wird eine Lawine auslösen, in einigen Jahren kommt die harte Mark“, sagte Nolle damals. „Du bist verrückt, wir wollen hier den Sozialismus reformieren. Wir wollen nicht das gleiche wie ihr!“, kam es zurück.
Die Mark ist inzwischen da, „Kapitalist“ Nolle kam wieder. Er führt jetzt eine Druckerei in Dresden, die dreimal soviel Mitarbeiter wie der Vorläufer in Hannover hat und inzwischen zum Vorzeigeobjekt geworden ist: für Leute vom Fach und für Politiker. Der Wirtschaftsausschuß im Landtag und Minister Kajo Schommer verlegten eine Sitzung in das Druckhaus, um zu sehen, was Nolle „technische und Humanproduktivität“ nennt. In der digitalen Vernetzung etwa ist sein Haus einzigartig. Ziel: Jeder Mitarbeiter soll am Bildschirm den augenblicklichen Produktionsstand verfolgen können. Menschlich gesehen setzt Nolle auf zufriedene Kollegen und beteiligt sie deshalb am Geschäft. Die Leitenden Angestellten sind Gesellschafter, die anderen können für 800 Mark „Genußscheine“ kaufen, zu denen die Firma eine Prämie von 300 Mark beisteuert.
Doch nicht nur das: Die Druckerei ist auch zum Anlaufpunkt für Kulturschaffende aller Art geworden. Nolle hilft ab und zu mit kostenlosem Plakatdruck, als Sponsor und mit dem Erfahrungsschatz eines Mannes, der unruhig wird, wenn alles glatt läuft. „Wir standen in der Gefahr, mal Urlaub machen zu können“, sagt er über seine Beweggründe, aus sicherer Position in Hannover ins Stammland seiner Familie zurückzukehren. Für den damals 45jährigen war der Kampf der DDR-Bürger eine Bewegung, die „so hochemotional bewegend ablief, daß wir daran teilhaben wollten“. Karls Vorfahren leben in Großtreben bei Torgau, Christls Großeltern waren in Erfurt.
Nolle kam am 9. März 1945 in Hattendorf bei Hannover zur Welt. Nach der Lehre als Elektromechaniker holte er das Abitur nach, studierte Geschichte, Soziologie und Philosophie für das höhere Lehramt. Dafür jobbte er in einer Druckerei und merkte bald, daß ihm das Spaß macht. „Selbständig werden“, war die neue Devise. Mit 2000 Mark, vom Vater geliehen, kaufte er sich 1969 eine alte Druckmaschine. „Sie war der Kristallisationspunkt, aus dem sich alles entwickelte“: eine gutgehende Druckerei mit 20 Beschäftigten und am Ende 2000 Kunden.
Darunter auch Peter Grohmann aus Stuttgart und 30 Freunde, die in Hannover eine Zeitung für den „Kirchentag von unten“ produzierten und ihre Luftmatratzen bei Nolles ausbreiteten. Grohmann, Kabarettist, Schauspieler und Autor, hat 1994 den Deutschen Kleinkunstpreis gewonnen, und mit dem Geld in Dresden die „AnStiftung“ gegründet. Er war 1993 nach Sachsen zurückgekehrt und fand dort Nolle als etablierten Unternehmer und Kunstförderer vor. Beide mischen nun überall mit. Schon 1990 hatte Nolle in Hannover mit Dresdner Freunden das Stadtmagazin „Sax“ gegründet, das inzwischen vom Veranstaltungskalender zum Kulturforum der Elbflorenz-Szene geworden ist. 1991 zog er mit neuen Maschinen in die Druckhaus-Ruine des Kombinats „Völkerfreundschaft“. Dazu zählte auch eine der letzten Lichtdruckwerkstätten, die er mit Millionenaufwand zum Museum aufpäppelte, durch das nun jährlich 3000 Menschen wandern.
Das „SAX“-Engagement verschafft ihm Kontakte zur Musik- und Theaterwelt; gut für Aufträge und Mäzenatentum. Seine Erfahrung im Handwerk, die Freude am Neuen, verschafften ihm Vorsprünge vor der Konkurrenz. Am 1. Juni 1995, nach 360 000 Pendel-Kilometern, zogen Nolles endgültig nach Dresden. Seit November gibt es nun die „Dresdner Bürgergesellschaft für Kulturförderung“. Mitbegründer Nolle: „Nicht immer auf die Politiker warten. Wir wollen Lust auf Kunst machen“; unter anderem durch eine Kulturlotterie. Daß die Plakate und Kalender aus dem Druckhaus Dresden kommen, wird er nicht verhindern.
Daß er auch mit der Politik rechnet, zeigt dies:
Karl Nolle kann sich gut eine Kandidatur bei Kommunal- und Landtagswahlen vorstellen. SPD-Chef Karl-Heinz Kunckel soll schon angefragt haben.
(von Manfred G. Stüting)