Karl Nolle, MdL

DNN, 10.05.1999

SPD will mindestens 30 Landtagssitze

Karl-Heinz Kunckels Wahlkampfteam bestätigt / Ziel: Absolute Mehrheit brechen
 
DRESDEN. Die Delegierten kamen aus dem Klatschen kaum heraus. Es war, als wollte die sächsische SPD beweisen, daß sie entschlossen ist, die Landtagswahl am 19. September zu gewinnen. Die Landesvertreterversammlung wählte am Sonnabend in Dresden mit großer Mehrheit Parteichef Karl-Heinz Kunckel zu ihrem Spitzenkandidaten und bestätigte klar seine Wahlkampfmannschaft. Ihr gehören mit DGB-Chef Hanjo Lucassen, dem ehemaligen Leipziger Uni-Rektor Cornelius Weiss und dem Dresdner Unternehmer Karl Nolle drei prominente Quereinsteiger an, die bisher nicht im Landtag sitzen.
Kunckel erhielt 84 Prozent der Stimmen, rund zehn Prozentpunkte mehr als beim verunglückten Görlitzer Parteitag im Februar. In seiner mit Verve vorgetragenen Rede bezeichnete er die CDU- Regierung von Kurt Biedenkopf als „absolutistisch, arrogant und selbstherrlich“. Sie habe die Nähe zum Bürger verloren. Zugleich breite sich ein „schwarzer Schleier“ über das Land aus und krieche in jede Ritze. Im übrigen habe der 69jährige Biedenkopf das Feld für seine Nachfolge nicht bestellt. Kunckel begründete so sein Ziel, die absolute Mehrheit der Union zu brechen: „Wir wollen wieder Farben sehen“. Das Kippen der 58prozentigen Mehrheit sei schon „ein Wert an sich“ – „jenseits von Koalitionsfragen.“ Kunckel vermied Äußerungen über das Verhältnis zur PDS. „Dazu ist alles gesagt.“ Er lehnt eine Zusammenarbeit mit den SED-Nachfolgern kategorisch ab – eine Position, die nicht von allen Parteifreunden im Freistaat geteilt wird. Kunckel betonte aber: „Der Gegner ist die CDU!“
Dabei gehe es auch um mehr soziale Gerechtigkeit. Als wichtigste Wahlkampfthemen nannte er Arbeit, Jugend, Frauen sowie Modernität und Wissenschaft. Jeden dieser Bereiche wolle er mit einem Namen „greifbar untersetzen“. Für die Frauenpolitik steht die erzgebirgische Landtagsab- geordnete Gisela Schwarz, für die Jugend ihre Chemnitzer Kollegin Barbara Ludwig. Arbeit wird durch Gewerkschaftschef Lucassen und den Unternehmer Nolle repräsentiert. Nolle ist gleichzeitig Vorsitzender des Verbandes der Druckindustrie für Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Für die Wissenschaft ist Weiss zuständig.
Lucassen und Nolle betonen, daß sie sich gegenseitig schätzen, auch wenn sie als Unternehmer und Gewerkschafter manchmal nicht übereinstimmen. Es sei nun mal das Wesen der Demokratie, über Positionen zu streiten und einen Kompromiß zu finden. Kunckel sieht mit den beiden das angestrebte „Bündnis für Arbeit“ bereits in seiner Partei entstanden.
Ein ausgewiesener Experte für Innen- und Rechtspolitik fehlt auf den vorderen Plätzen der 93 Positionen langen Liste. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, der Zwickauer Joachim Richter, findet sich erst auf Platz 28. Sein Leipziger Landtagskollege Thomas Mädler steht auf Platz 25 und der Döbelner Johann Kehl auf Platz 31. Dennoch wurde Kunckels Vorschlag nicht herausgefordert. Er habe versucht, nach Kompetenz und nicht nach regionalem Proporz zu entscheiden, sagt er, räumte aber den drei Enttäuschten gute Chancen ein, in den Landtag zurückzukehren. Sein Wahlziel lautet, die „Dreißiger“ zu erreichen – „Sitze, nicht Prozente“. 30 Sitze entsprechen voraussichtlich einem Stimmanteil zwischen 22 und 25 Prozent. 1994 hatte die SPD 16,6 Prozent erreicht.
(von Sven Siebert)

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