DNN, 17.05.1999
52 Prozent für die CDU können die FDP nicht erschrecken
Wahlumfrage sieht für Liberale wenig Chancen
DRESDEN. Vier Monate vor der Landtagswahl träumen SPD und FDP von einer Regierungsbeteiligung in Sachsen, die CDU aber ist wieder zuversichtlicher, daß sich diese Träume am 19. September nicht erfüllen. Denn die Biedenkopf-Partei ist nach Zwischentiefs bei der Bundestagswahl im September und einer Meinungsumfrage im Februar wieder auf dem Weg zur absoluten Mehrheit. Das ermittelte das Leipziger Institut für Marktforschung im Auftrag der Sächsischen Zeitung.
Danach steht die CDU derzeit bei 52 Prozent und könnte damit zum dritten Male allein regieren. Die SPD hält sich mit 23 Prozent weiter klar vor der PDS, die mit 17 Prozent dicht am Wahlergebnis von 1994 geblieben ist. Auf Platz vier stehen die Bündnisgrünen, während die Freidemokraten nur ein Prozent der Wählerschaft interessieren, wie auch Republikaner und DVU sowie „Sonstige“.
Die Umfrage platzte direkt in die Delegiertenversammlung der FDP zur Aufstellung der Listenkandidaturen zur Landtagswahl. Dort gab Vorsitzender Rainer Ortleb die Parole aus: „Nicht erschrecken lassen.“ Der Mathematiker zweifelte den Wert der Umfrage an, die sich auf 810 Wahlberechtigte stützt und will sich „weiterhin auf fünf Prozent einschießen“. Und die anderen Redner folgten ihm. „Wir werden die Wahl gewinnen“, versprachen mehrere Listenbewerber, und der frühere Landtagsfraktions-Chef Ludwig-Martin Rade sieht das Ziel einer Regierungsbeteiligung nahe, „wenn alle so kämpfen wie wir in Meißen 1994“. Damals erhielt er dort 11,4 Prozent der Stimmen. Da aber viele Kollegen anderswo nicht einmal zwei Prozent erreichten, schied die FDP aus dem Landtag aus und hat seitdem keinen Boden mehr unter die Füße bekommen.
Rade steht jetzt hinter Ortleb und dem Fraktionsvorsitzenden der FDP im Leipziger Rathaus, Wolfgang Lingk, auf Rang drei der Landesliste. Partei-Vize Hans-Jürgen Kennerknecht (Plauen), der die Programmdiskussion bestritt, eine überzeugend auftretende Astrid Warech (Bautzen) und Landesgeschäftsführer Menzer belegen die nächsten drei Plätze.
Eigentlich sollte Beamtenbund-Chef Gerd Drechsler auf Platz zwei dirigiert werden. So war es von Ortleb und den Kreisvorsitzenden verabredet worden. Aber die Partei gab dem Seiteneinsteiger bei zwei Anläufen einen Korb. Drechsler verließ fluchtartig den Saal, und seine Förderer sind traurig, daß es nicht gelingen wird, mit ihm einen Teil der Stimmkraft des Öffentlichen Dienstes auf die FDP zu lenken.
Übrigens wollte auch die CDU-Spitze den SBB-Chef einfangen, scheiterte aber an den Zwickauer Freunden. Die nehmen Anstoß an der SED-Vergangenheit Drechslers. Doch auch ohne Seiteneinsteiger sehen die Christdemokraten wieder mehr Land. Nicht zuletzt aufgrund des unveränderten Ansehens von Ministerpräsident Biedenkopf. Den wünschen sich 66 Prozent der Sachsen als Ministerpräsident. SPD-Kontrahent Karl-Heinz Kunckel erhielt nur elf Prozent. Die Staatskanzlei soll, wie aus CDU-Kreisen zu erfahren ist, sogar über eine Umfrage verfügen, die Biedenkopf bei 75 Prozent der Wählerschaft vorn sieht.
Kunckel gibt sich dennoch optimistisch. Er zieht die Diskussionen um das 630-Mark-Gesetz und den Nato-Einsatz in Jugoslawien zur Begründung für den Verlust von drei Prozentpunkten seit Februar heran. „Im Herbst sieht das wieder besser aus.“ Zumal seine Spitzenmannschaft bis dahin vor allem in der Partei unterwegs sein wird, um die Kampfkraft der Genossen zu mobilisieren. Seiteneinsteiger
Karl Nolle: „Viele haben nie politisches Denken trainieren können.“ Der Dresdner Druckunternehmer will in die Partei hinein wirken. Inwieweit das sich auszahlt, läßt sich bei den Kommunalwahlen im Juni abschätzen. Vor fünf Jahren konnten die Sozialdemokraten Kandidaten für 65 Prozent der vorhandenen Mandatsplätze aufstellen, diesmal sind es 90 Prozent. Aber auch die FDP hofft auf einen Schub durch die Kommunalwahlen. „Uns laufen die Kandidaten die Bude ein“, sagte Rade. Allerdings nur, um auf FDP-Ticket zu kandidieren, nicht, um als Mitglied beizutreten. Optimismus hier und da: „Dieses schwarz beherrschte Land braucht Farbe!“ Der Satz war Sonnabend sowohl bei der FDP-Konferenz wie auch bei der SPD zu hören.
(von Manfred G. Stüting)