Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 08.12.1999

Massiv Beschwerden zu öffentlichen Aufträgen

Vorwurf: Westdeutsche Architekten bringen ihre eigenen Unternehmen mit
 
SACHSEN. Gut viereinhalb Milliarden Mark haben Land und Kommunen 1998 in Bau- und Gebäudeeinrichtungen investiert. Die sächsischen Innenausbauer fühlen sich davon weitgehend ausgeschlossen.
Voller Hoffnung war der Vorsitzende des sächsischen Landesverbandes im "Bund der Deutschen Innenarchitekten" (BDIA), Siegfried Hausdorf, im April in die Staatskanzlei geeilt. Doch Bernhard Schulz, Beauftragter für den Bezug der neuen Landesvertretung in Berlin, musste dem Werber in Sachen sächsische Betriebe rundweg absagen: Die Millionen Mark teure Innensanierung des alten Gebäudes aus Bundesbesitz, die vergangene Woche abgeschlossen wurde, war per Kaufvertrag einem Berliner Generalübernehmer zugesichert.
Sächsische Firmen bleiben oft draußen
Ein Beispiel, das trotz rechtlicher Sonderlage die Innenausstatter und Innenarchitekten auf die Palme bringt. Neun Jahre nach der Wiedervereinigung würden in Sachsen immer noch übermäßig oft Aufträge der öffentlichen Hand an Westfirmen vergeben, lautet die Klage. Gemeinsam mit dem "Fachring Erzgebirgischer Objektausstatter" (FEO) und dem "Verband der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie Sachsen" (VHKI) bilanziert Hausdorf jährliche Auftragsverluste von 33 Millionen Mark. 250 Arbeitsplätze könnten bei einer anderen Vergabepraxis im Land geschaffen werden, rechnete FEO-Präsident Volker Kurzweil kürzlich auf einer eigens zum Thema einberufenen Pressekonferenz.
Diesem neuen Vorstoß der Fachverbände liegt ein jahrelanger Streit zu Grunde. Die Parlamentarier in den Bauausschüssen und Bürgermeister, so murren die ortsansässigen Unternehmer seit der Wende, würden bei ihren zahlreichen Bauvorhaben nur dem billigsten Angebot den Zuschlag geben - oft zu Gunsten auswärtiger Unternehmen. In den Amtsstuben berufen sich die Verantwortlichen dagegen auf den freien Markt und gültige Rechtsnormen. Doch allein das Dresdner Regierungspräsidium bilanziert etwa 150 bis 180 Vergabe-Überprüfungen in diesem Jahr nach Beschwerden nicht berücksichtigter Betriebe. Für Verärgerung sorgten so in der Vergangenheit immer wieder Meldungen, wonach verhältnismäßig geringe Preisvorteile den Wettkampf zu Gunsten auswärtiger Firmen entschieden. "Die finanzschwachen Kommunen schauen nur aufs Geld", vermutet Kurzweil. Meist sei das billigste Angebot das beste, halten dem Entscheidungsträger wie der Hoyerswerdaer Baubürgermeister Walter Hamacher entgegen. Ulrich Schönemann, VHKI-Sachsen-Geschäftsführer, moniert zudem die häufige Inanspruchnahme westdeutscher Architekten. Die würden für die Innenausstattungen zumeist die Lieferanten aus den alten Bundesländern gleich mitempfehlen. Fabrikate großer auswärtiger Hersteller werden so als Standard vorgegeben. Ein Verfahren, das zudem den Innenarchitekten einspart, sagt Hausdorf und fordert die Abschaffung solcher Verknüpfungen.
Längst haben sich Behörden und Kritiker mit eigenen aber widersprüchlichen Statistiken gewappnet. 83 Prozent Vergabe an die heimische Bauindustrie reklamiert das für den Hochbau zuständige Finanzministerium. 90 Prozent soll es bei einzelnen Landratsämtern sein. Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Karl Nolle vermutet hingegen eine allgemeine Quote von "nur 70 bis 80 Prozent". Der Landtag reagierte erstmals im Oktober 1998. Die Kommunen wurden aufgefordert, mehr und kleinere Lose für mehr und kleinere mittelständische Teilnehmer aus der Region auszuschreiben.
"Trendwende im Bereich Hochbau ein Stück weiter", sagt die Geschäftsführerin vom Sächsischen Bauindustrieverband Irina Poldrack. In den ersten drei Quartalen 1999 erhielten die Freistaat-Hochbauer 91 Prozent aller Aufträge der öffentlichen Hand in Sachsen. 1995 waren es noch 80 Prozent. Den Grund für den Erfolg sieht Poldrack in der hartnäckigen Öffentlichkeitsarbeit ihres Verbandes.
(von Tilman Weber)

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