Sächsische Zeitung, 20.08.1999
Bumerang fürs Rathaus
Parteiengerangel - Verwaltung mußte 3 000 Wahlplakate entfernen
RADEBEUL. Bis zu 20 städtische Bedienstete waren gestern ab fünf Uhr im Einsatz, um einen Richterspruch umzusetzen. Etwa 3 000 Wahlplakate der "Pro-DM"-Initiative - die städtische Regeln beharrlich ignorierend lange vor Beginn der Vorwahlzeit Straßen und Plätze förmlich zukleisterte - waren abzuhängen. Viel Arbeit für die Rathausmitarbeiter. Die hätte vermieden werden können. Rechtsamtsleiter Jörg Dreier, der zugleich als Vize-Wahlamtschef fungiert, mußte sich belehren lassen. Während er immer wieder im Vorfeld des Richterspruchs eine Ohnmachtserklärung nach der anderen abgab, ist nun klar: Die Stadt hätte sich nicht narren lassen müssen. Es gab von Anfang an eine Handhabe, die Verstösse gegen die Wahlwerbeordnung zu ahnden. Damit bekam SPD-Landtagskandidat, Kanzler-Intimus und Druckerei-Inhaber
Karl Nolle Recht. Der hatte das Verwaltungsgericht angerufen, weil Rathausbedienstete - vornweg Wahlleiter Wolf-Dieter Müller (CDU) - mit "Pro-DM" Absprachen trafen, die alle anderen Parteien benachteiligten. Ein Bumerang, hat sich gezeigt. Die PDS kündigt zudem noch ein parlamentarisches Nachspiel an. Nun will Dreier das Entfernen der Werbung den Rechtskonservativen in Rechnung stellen. Bis zu 10 000 Mark, so sagte er der SZ, könnte das kosten. Doch auch die "Pro-DM"-Initiative will der Stadt eine satte Rechnung servieren. Sie beruft sich auf Zusagen der Verwaltung, die sich bereits mit ihr arrangiert und eine Erlaubnis erteilt hatte. Die Gefahr ist groß, dass die Stadt auf Kosten sitzen bleibt. Jörg Dreier: "Der Sache sehen wir gelassen und emotionslos entgegen."
(von Harald Eichhorn)