DNN, 22.11.1999
Herzschlagfinale nach Schlagabtausch bei SPD
Volkmer löst Müntjes ab - Karl Nolle sieht sich als Königsmacher bei Führ
DRESDEN. Karl Nolle bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht: Marlies Volkmer, seine Kollegin aus der SPD-Landtagsfraktion, hatte gerade hauchdünn mit 38 zu 37 Stimmen Manfred Müntjes im Chefsessel des SPD-Unterbezirks Dresden-Elbe-Röder abgelöst. "Da haben wir viele Stunden für gearbeitet", mochte
Nolle erst gar nicht verhehlen, dass er lange an Müntjes Stuhl gesägt hatte.
Dabei war es Müntjes, der sich in den vorangegangenen sieben Stunden des Parteitags hatte anhören müssen, er habe gekungelt. Volkmer hatte mit Nolles Kampagne kein Problem: "Zwischen Kungelei und Mehrheiten schaffen gibt es himmelweite Unterschiede". Müntjes habe Politik nach dem Motto "eine Hand wäscht die andere" betrieben, sagte sie den DNN. In der Aussprache am Vormittag hatte sie ihm einen "Alleinvertretungsanspruch" vorgeworfen.
Mehr als ein Dutzend Redner trat in der Debatte ans Pult und zog mehrheitlich gegen Müntjes vom Leder, der den mit derzeit 844 Mitgliedern zweitgrößten SPD-Unterbezirk in Sachsen 1994 übernommen hatte. Verlief die Auseinandersetzung anfangs ruhig, vertieften sich am Nachmittag die Gräben. Der Konflikt gipfelte im Antrag auf eine Personaldebatte: Volkmer und Müntjes (Fotos: Günther) mussten vor die Tür, um nicht direkt zu hören, wer sich wie über sie äußerte.
Der ausscheidende Chef der SPD-Fraktion im Dresdner Stadtrat, Albrecht Leonhardt, gehörte zu denen, die Müntjes in Schutz nahmen: Der Vorsitzende des Unterbezirks brauche die permanente Unterstützung durch die Mitglieder - und die habe Müntjes nicht immer bekommen.
Die neue Landesvorsitzende Constanze Krehl hatte keine Empfehlung abgegeben. Sie wiederholte als Kommentar zum knappen Ausgang ihre Einschätzung zu ihrem eigenen Wahlergebnis vom Landesparteitag: "Eine Mehrheit sind 50 Prozent plus eine Stimme." Eine zukünftig feministischere Ausrichtung der SPD mit ihr als Landeschefin und Volkmer an der Spitze des zweitgrößten Unterbezirks sah sie nicht - wohl aber größere Integrationsfähigkeit bei Frauen. Volkmer habe das Zeug dazu, "diesen schwierigen Unterbezirk unter Dach und Fach zu bekommen." Nun gehe es darum, Gräben zuzuschütten. Albrecht Leonhardt hatte der Partei die Gefahr des politischen Selbstmords für den Fall prophezeit, dass die zutage getretenen Blöcke nach der Wahl erhalten blieben.
Müntjes kündigte nach der Niederlage vor Journalisten an, er werde sich weiter "an politischen Prozessen beteiligen". Im Meißener Kreistag ist er Chef der gemeinsamen Fraktion von SPD und Grünen. Volkmer werde eine glückliche Hand brauchen, sagte er. Die neue Chefin will zuerst mit jenen der 24 Ortsvereine sprechen, die vorab für Müntjes votierten. Zu ihren Stellvertretern wählte der Parteitag René Vits, Andreas Schurig und Udo Schmidt.
(von Stefan Alberti)