DNN, 17.08.1999
SPD-Mann Nolle will Einstweilige Verfügung gegen die Stadt
Gericht muss über Pro DM-Plakate entscheiden
DRESDEN. Der Streit um die Wahlwerbung der Eurogegner von Pro DM beschäftigt nun auch das Verwaltungsgericht. Landtagskandidat
Karl Nolle, Nummer sechs im Spitzenteam von SPD-Chef Karl-Heinz Kunckel, will per Einstweiliger Verfügung erreichen, dass die Stadt die Plakate der Partei entfernen muss.
Wie PDS-Wahlkampfchef Andre Schollbach sieht auch Nolle in den Schildern der Partei um Millionär Bolko Hoffmann keine Veranstaltungshinweise, sondern Wahlwerbung. Die ist nach einer Dienstanweisung des Oberbürgermeisters erst vom 19. August an erlaubt.
Eine Entscheidung über den Nolle-Antrag soll heute oder morgen fallen. Nach Angaben aus SPD-Kreisen hat die Stadt angeboten, Nolle-Werbung zu tolerieren, wenn der ebenfalls schon früher als erlaubt klebe. Jörg Dreier, Chef im städtischen Rechtsamt, dementierte ein solches Angebot. Richtig sei, das die Stadt bis zum 19. August "sehr differenziert" mit Beseitigungsverfügungen umgehen und alle Parteien gleich behandeln werde. Pro DM hat in ganz Sachsen nach eigener Darstellung 20000 Plakate aufstellen lassen und dafür 350000 Mark ausgegeben. In Dresden stehen nach Parteiangaben seit dem 10. August 300 bis 400 davon. Pro DM will bei der Stadt nachgefragt haben, ob eine Plakatierung ab dem 9. August möglich sei und mangels Ablehnung begonnen haben. Die OB-Dienstanweisung sei nicht bekannt gewesen. Laut Rechtsamtschef Dreier hat die Verwaltung die Partei gestern nochmals aufgefordert, die Plakate gemäß der Dienstanweisung zu gestalten. Mehr lasse das Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht zu, an das die Verwaltung gebunden sei. Die Dienstanweisung beruhe auf einer Übereinkunft der Parteien, einem "gentleman's agreement". Pro DM steht für den Verstoß laut Dreier maximal ein Bußgeldverfahren ins Haus, das man prüfe.
Pro DM und die Stadt hatten sich am Donnerstag geeinigt, dass die Partei ihre Plakate mittels Aufklebern in erlaubte Veranstaltungshinweise umwandelt. Nolle und die PDS kritisieren, dass die umgewandelten Plakate nicht den Kriterien für Veranstaltungswerbung genügen, für die unter anderem die Buchstabengröße ausschlaggebend ist. Die PDS sprach von einer "Mogelpackung".
Frank Skorna, Mitglied im Bundes- und Landesvorstand von Pro DM, wies diesen Vorwurf gegenüber den DNN zurück: "Wir haben versucht, uns fair zu verhalten. Auf keinen Fall war es beabsichtigt, jemanden auszutricksen." Unglücklich über das Medienecho des Plakatestreits ist er hingegen nicht: "Was Besseres hätte uns gar nicht passieren können." Pro DM hat laut Skorna bundesweit 1200 Mitglieder, in Sachsen 60. Auf Landesebene gehörten zehn Dresdner zu einem harten Kern von 20 Leuten.
Die PDS wird nach Aussage ihres Wahlkampfchefs Andre Schollbach anders als am Freitag angekündigt doch nicht vor dem 19. August ihre Wahlplakate aus dem Lager holen. Man werde in Zukunft darauf drängen, die Dienstanweisung zur Wahlwerbung in der Hauptsatzung der Stadt, quasi der Dresdner Verfassung, zu verankern. Laut Rechtsamtschef Dreier würde auch das der Verwaltung keine deutlich größeren Vollzugsmöglichkeiten geben.
Der Stein des Anstoßes: das Pro DM-Plakat.
Meine Meinung Hände los
Von STEFAN ALBERTI
Das kann doch gar nicht wahr sein: Hinterm Scheibenwischer klemmt schneller ein Knöllchen, als man hinsehen kann. Aber ein millionenschwerer Parteigründer mit mickrigen 60 Mitstreitern in Sachsen kann der Verwaltung der Landeshauptstadt straflos auf der Nase herumtanzen: Seine Plakate hängen zu früh, aber sie bleiben hängen. Ihnen seien die Hände gebunden, sagen die Macher in der Verwaltung. Dann muss sie ihnen eben einer losbinden. Sonst kann man auf Spielregeln zur Wahlwerbung gleich ganz verzichten.