Sächsische Zeitung, 11.06.1999
Wahlplakat - ich bin dafür
PAUL UND SEIN WARTBURG Wahlplakat - ich bin dafür
DRESDEN. Wir leben ja nun mal in einer Demokratie, und selbige basiert auf dem Prinzip, daß einige wenige sagen, wir wollen gewählt werden, und einige viele dies dann auch tun. Und die Demokratie funktioniert dann am besten, wenn sich nach der Wahl Gewählte und Wähler gegenseitig in Ruhe lassen. So ähnlich ist es auch in der Ehe, man wählt sich einen Partner, und nach der Hochzeit läßt man sich in Frieden. Bei Paul und mir ist das jedenfalls so. Aber in Frieden lassen bedeutet natürlich nicht, daß es mich nicht interessieren würde, was Paul manchmal so treibt, wenn er stundenlang in seiner Werkstatt an seinem Wartburg rumschraubt. Genauso müßte ich lügen, wenn ich behaupten würde, daß es mich überhaupt nicht interessieren würde, was unsere Politiker so treiben. Manchmal denke ich, man müßte direkt mal so eine Stadtverordnetenversammlung im Rathaus besuchen. Aber da frage ich, wer hat denn Zeit für so was. Was wird auch groß in so einer Versammlung passieren. Man streitet sich halt. Dafür sind es ja auch Politiker. Doch eines weiß ich genau, außer streiten machen sie eines sehr gewissenhaft: Sie entwerfen Wahlplakate. Wahlplakate, die vor Kompetenz, Sachverstand und konkreten Problemlösungen nur so strotzen. Europa muß man richtig machen, schreibt die CDU. Eine Erkenntnis, vor der ich mich tief verneige. Aber nicht nur ich, nein, auch die PDS, indem sie schreibt: Na klar! Ja echt, da steht nur: Na klar! Da hätte man doch eigentlich auch Bumsvaldera oder so draufschreiben können. Die SPD steht dem aber in nichts nach: Ich bin dafür, zitieren die Genossen einen gewissen
Karl Nolle. Wenn ich es mir recht überlege, bin ich eigentlich auch nicht dagegen. Die SPD macht es sich an anderer Stelle aber noch einfacher. Die haben ein Plakat völlig ohne Slogan, dafür hat man zwei gutgenährte Menschen abgelichtet, die mit einem Lächeln in die Kamera schauen, als hätten sie gerade den zweiten Platz in einer Rassekatzenausstellung gewonnen. Da versteh ich dann schon die FDP, die da schreibt: Wir sehen rot! Die FDP scheint es überhaupt mit den Farben zu haben: Gelb ist die FDP, behauptet man. Nun vielleicht will man uns damit sagen, daß die FDP die meisten Mitglieder aus dem asiatischen Raum hat. Kompetent, weiblich und spontan, liest man hingegen bei den Grünen. Auf jeden Fall haben bei den Grünen die meisten Frauen lange Bärte, die seit 1968 nicht mehr abgeschnitten wurden, was etwas verwundert bei der großen grünen Spontanität. Und dann wäre da noch die DSU. Sie schreibt: Für den Erhalt der Stadtsparkasse! Dies ist immerhin mal was konkretes, aber das nützt mir überhaupt nichts, ich bin nämlich bei der Postbank. Wenn ich von den Wahlplakaten ausgehe, muß es aber auch noch eine neue Partei namens Deep Purple geben. Ich kenne diese Partei nicht, aber unsere Tochter Karin sagt, die hätten in Dresden die wenigsten Mitglieder, die meisten Wähler und die glaubwürdigsten Texte. Davon überzeugte sie erst kürzlich in der Jungen Garde.
(Elvira Breitner)