Sächsische Zeitung, 10.05.1999
Eine reine Formsache
Bei Wahl der SPD-Landtagskandidaten blieben Überraschungen aus - gute wie böse
DRESDEN. Die SPD wählte am Sonnabend in Dresdner "art'otel" ihre Kandidaten für die Landtagswahl am 19. September. Der Listenvorschlag von Parteichef Karl-Heinz Kunckel ging glatt durch - zu glatt, wie manche meinten.
Manche Kandidaten waren gar nicht erst gekommen, andere - wie Joachim Richter aus Zwickau - zogen lange vor Bekanntgabe ihres Wahlergebnisses wieder ab. "Das ist ein scheindemokratisches Verfahren" schimpfte der rechts- und innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Sein Unmut resultierte nach eigener Aussage vor allem aus der Tatsache, daß Kunckel ihm einen vorderen Listenplatz versprochen und dann als Nummer 28 "abgestraft" hätte - noch hinter Marion Zschiegner, die Richter als "SED-Altlast" bezeichnet. Doch am Ende fügte er sich in das Schicksal und bangt nun, daß diese Ausgangsposition für den Verbleib im Landtag genügt. Denn die Hürden, an der Reihung der Kandidaten noch etwas zu ändern, waren übergroß. Das bekam zuerst die Chefin der SPD-Kommunalvereinigung, Karin Thiele, zu spüren. Sie wollte von Platz 34 auf Platz 24 vorrücken und mußte sich dafür mit Hilfe eines Initiativantrages zunächst die Erlaubnis der Delegierten holen. Der Antrag scheiterte klar, ein tatsächlicher Wettstreit um Listenplätze fand gar nicht erst statt. Es wäre "unredlich" gegenüber anderen Kandidaten gewesen, den Listenvorschlag noch einmal zu ändern, argumentierte der Abgeordnete Hans Jürgen Richter (Platz 18). Die sonst übliche persönliche Vorstellung der Bewerber konnte man sich getrost sparen. Und so waren alle 93 Kandidaten in der rekordverdächtigen Zeit von weniger als fünf Stunden bestätigt. Zu Beginn hatte Kunckel mit eindringlichen Worten für seine Liste geworben, die von Parteivorstand und Parteirat mit klaren Mehrheiten bestätigt worden war. Kunckel hofft auf mindestens 32 oder 33 Mandate, um die absolute Mehrheit der CDU im Freistaat brechen zu können: "Wir wollen diese schwarze Bastion schleifen!" Im Wahlkampf dürfe man sich deshalb nicht verzetteln, etwa bei der Auseinandersetzung mit der PDS. Um das 94er Wahlergebnis um ein Drittel zu übertreffen, setzt Kunckel bei den vorderen Plätzen auf Prominenz und Kompetenz. Die Plätze 2 und 3 belegen die Abgeordneten Gisela Schwarz und Barbara Ludwig, gefolgt von drei Landtagsneulingen: DGB-Landeschef Hanjo Lucassen, Ex-Uni-Rektor Cornelius Weiss und Druckereibesitzer
Karl Nolle. Mit 74 Prozent erntete Nolle im Spitzenteam das schlechteste Ergebnis, während Lucassen und Weiss mit 92 Prozent beinahe Traumwerte erreichten. Die Kritik von Kurt Biedenkopf an der Doppel-Funktion des DGB-Vorsitzenden wischte Kunckel weg: Die parteipolitische Neutralität des Ministerpräsidenten sei genauso verletzt seit dem Tag, als Biedenkopf zum Spitzenkandidaten der CDU nominiert wurde. Im übrigen sollten Lucassen und Nolle im Wahlkampf die Positionen ihrer Verbände vertreten und nicht die der SPD. Am Ende war Karl-Heinz Kunckel mit sich und seiner Partei endlich wieder mal zufrieden: Knapp 84 Prozent unterstützten seine Spitzenkandidatur, nachdem ihn der jüngste Parteitag nur mit 73 Prozent im Amt bestätigt hatte. Ob es auch diesmal ein ehrliches Ergebnis war, ließ Kunckel offen.
(Steffen Klameth)