DNN, 12.06.1999
Kreativster Wahlkampf
Die Woche im Rückblick
DRESDEN. Am Sonntag können wir alle drei Kreuze machen. Dann kehrt wieder etwas mehr Ruhe ein in die Parteien, wo heute noch die Nerven teilweise blank liegen. Zeit, ein erstes vorläufiges Resümee zu ziehen.
Was ist aufgefallen in diesem Wahlkampf? Natürlich zunächst einmal die Plakate. Fangen wir an mit den Dreien von der (Biogas-)Tankstelle, den Bündnisgrünen Klaus Gaber, Wolfhard Pröhl und Eva Jähnigen. "Kompetent, weiblich, spontan" werben sie für sich und ihre Fünf-Mark-Partei. Wer das weibliche Element verkörpert, ist noch herauszubekommen. Aber wer ist der kompetente, wer der spontane? Und was ist an den Bündnisgrünen dieser Tage überhaupt spontan? Sicher nicht das Parteivolk, das vom Kosovokrieg zermürbt und desillusioniert die Gefolgschaft im Wahlkampf ansatzweise komplett verweigerte.
Die SPD setzte mutig auf ihren Fraktionschef Albrecht Leonhardt, der 1994 als OB-Kandidat 14,4 Prozent der Stimmen geholt hatte. Und das obwohl der Name Leonhardt in elf von zwölf Wahlkreisen auf keinem Stimmzettel auftaucht. Lediglich Unternehmer
Karl Nolle scherte aus und machte seinen eigenen Wahlkampf - einen sehr kreativen übrigens. Die CDU fiel in zweierlei Hinsicht auf: mit witzigen Sprüchen ("Schluß mit Justig") und teilweise unsäglichen Kandidatenfotos, wobei besonders A. Grapatin mit Schnauzer und strengem Scheitel Assoziationen weckte. Bemerkenswert war auch, daß es die FDP in Dresden nicht mehr gibt. Sie hat ihrer Jugendorganisation JuliA das Feld überlassen, was der Partei nur gut tun kann. Man darf gespannt sein, was die kreative Truppe um Mücke, Herbst und Zastrow bewegt.
Und was bewegt die Dresdner? Der Wahlkampf offenbar nicht. Die Veranstaltungen waren eher mäßig besucht. Ein Grund ist sicher, daß es weitaus weniger engagiert zur Sache ging als vor fünf Jahren, wo auch die OB-Wahl anstand. Was aber nicht besagt, daß ein Desinteresse an kommunaler Politik herrscht. Im Gegenteil. Die Dresdner wissen ganz genau, wo in ihrer Stadt der Schuh drückt. Mit großem Abstand erklären sie den Dauerstau zum Problem Nummer eins, gefolgt von der unzureichenden Sanierung der Schulen. Auf Platz drei und vier folgen mit Waldschlößchenbrücke und den A-17-Zubringern bereits wieder Verkehrsprojekte, die ihrer Realisierung harren.
Unter das ewige Hickhack um die Verkehrspolitik in dieser Stadt gehört endlich der Schlußstrich gezogen. Die Bürger haben es satt. Sie wollen mehrheitlich Pragmatismus sehen und keinen ideologischen Debatten lauschen. Der Wählerauftrag bis 2004 ist damit klar. Das Votum noch nicht. Aber im Stadtrat kann eigentlich vieles nur besser werden. Schade eigentlich, daß die Verwaltungsspitze zwei Jahre länger gewählt ist. In diesem Sinne ein spannendes Wahlwochenende
Ihr Dirk Birgel