Lausitzer Rundschau, 20.05.1999
Zerwürfnis in den Reihen der SPD
Landtagsabgeordnete Thomas Mädler und Johannes Kehl legten Fraktionsämter nieder
SACHSEN. In der sächsischen SPD ist es wenige Wochen vor dem Ende der Legislatur und vor Beginn des Landtagswahlkampfes zu einem Zerwürfnis gekommen.
Die Landtagsabgeordneten Thomas Mädler und Johann Kehl haben demonstrativ ihre Fraktionsämter niedergelegt. Beide fühlen sich auf der SPD-Landesliste zu schlecht bewertet.
Die Liste, wie sie Anfang Mai von der Landesvertreterversammlung verabschiedet wurde, ist in erster Linie das Werk des Landesvorsitzenden Karl-Heinz Kunckel. Er hatte sich per Parteitagsbeschluß das Vorschlagsrecht gesichert und im April einen lange geheim gehaltenen Vorschlag ausgearbeitet.
Mit dem DGB-Landesvorsitzenden Hanjo Lucassen, dem Unternehmer
Karl Nolle und Cornelius Weiss, dem ehemaligen Rektor der Leipziger Universität, hatte er dabei drei Seiteneinsteiger in sein engeres Wahlkampfteam berufen, was allgemein als kluger Schachzug gewertet wurde. Darüber hinaus fanden sich einige der derzeitigen Abgeordneten auf hinteren Listenplätzen wieder.
Kurzer Prozeß gemacht
Unter dem Stichwort von der "Kompetenz" hatte Kunckel statt dessen landespolitisch unbekannten Gesichtern aus Kommunen und Gewerkschaften den Vorzug gegeben.
Dieses Verfahren hat Kunckel Vorwürfe eingetragen. Kunckel sei auch nicht anders als Kurt Biedenkopf (CDU), auch wenn er das vorgebe, schimpft Mädler. Kehl spricht gar von "stalinistischen Methoden".
Tatsächlich war mit der Landesliste, nachdem sich Kunckel in Parteivorstand und Parteirat durchgesetzt hatte, kurzer Prozeß gemacht worden. Auf der Landesvertreterversammlung waren Änderungen in der Platzierung nur noch auf dem schwierigen Wege von Initiativanträgen möglich.
Die Aufstellung der Landesliste, bei der sich die CDU mit kräftezehrenden Kampfabstimmungen eine ganze Nacht um die Ohren schlug, wurde bei der SPD in wenigen Stunden ohne Änderung blockweise durchgestimmt. Da sind Verletzungen geblieben, und Kunckel wird die Verantwortung gegeben.
Abgestraft worden?
Der Parteichef reagiert mit dem Verweis auf verletzte Eitelkeiten. Mädler sieht seine Arbeit als medienpolitischer Sprecher mißachtet. Die Medienpolitik sei in der vergangenen Legislatur das einzige Gebiet gewesen, wo die SPD Erfolge habe feiern können, wo ein SPD-Gesetzentwurf umgesetzt werden konnte, ärgert sich Mädler.
Er und Kehl werfen Kunckel Unehrlichkeit vor und glauben, für abweichende Meinungen vom Parteichef abgestraft worden zu sein. Am Wochenende hatte Kunckel in Anlehnung an den Bundestagswahlkampf die "Sachsen-Kampa" eröffnet, die Wahlkampfzentrale in Dresden.
Relatives Kriterium
Dort will er, eigenen Worten zufolge, auch seine Wahlsieg feiern. Doch Sieg ist ein relatives Kriterium. Kunckel spricht von Sieg, wenn die SPD 30 Mandate erringen kann, was 25 Prozent entspricht, und die absolute Mehrheit der CDU gebrochen wird. Damit könnte Mädler, der auf Platz 25 steht, den Einzug in das Landesparlament noch schaffen. Vor fünf Jahren allerdings reichte es nur zu 16,6 Prozent und Platz 22.
Umfragen zufolge liegt die CDU derzeit bei über 50 Prozent, Tendenz steigend, die SPD bei 23 Prozent, Tendenz fallend. Keine Frage, daß Kunckel auch dieses Ergebnis noch als Sieg feiern könnte.
(Ralf Hübner)