DNN, 24.04.1999
Druckverbands-Chef Nolle: Flächentarif in Gefahr
Kritik am Kasseler Urteil zu Gewerkschaftsrechten
DRESDEN (Eig.Ber.). Nach dem Kasseler Urteil zum Klagerecht der Gewerkschaften sieht der Dresdner Druckunternehmer und Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Druckindustrie in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt,
Karl Nolle, sieht den Flächentarif in Gefahr. Gegenüber DNN sagte der Unternehmer am Rande der heute zu Ende gehenden Jahreshauptversammlung seines Verbandes in Wörlitz (Sachsen/Anhalt): "Ich bin sicher, daß das Urteil für den Fortbestand des Flächentarifs ein Bärendienst ist."
Nur 20 Prozent der Unternehmen in der ostdeutschen Druckbranche seien überhaupt tarifgebunden, so Nolle. Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das den Gewerkschaften ermöglicht, einzelne Arbeitgeber auf die Einhaltung von Tarifverträgen zu verklagen, billigen die Richter den Gewerkschadften eine Wächter-Funktion zu, die nach Ansicht von Nolle die Entwicklung der Arbeitgeberverbände zu Wirtschaftsverbänden ohne Tarifbindung beschleunigt.
Nach Auffassung des Verbands-Chefs müssen neue Wege und Antworten auf die strukturellen Veränderungen der Produktionsgesellschaft hin zur Dienstleistungs-, Medien- und Wissensgesellschaft gefunden werden. In dem Maße, wie die Zahl von befristeten Arbeitsverhältnissen, Teilzeitjobs und Formen der neuen Selbständigkeit, von Werk- und Honorarverträgen wüchse, so Nolle, sei auch absehbar, daß bald Löhne und Gehälter nur noch teilweise nach Zeit und gebunden an den Unternehmensertrag gezahlt werden. Dieser Entwicklung müsse mit neuen Wegen in den Flächentarifen, mit mehr Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten, Rechnung getragen werden.