Handelsblatt, NR. 079 VOM 24.04.1995, Unternehmen und Maerkte, 01.01.1997
OSTDEUTSCHE DRUCKINDUSTRIE / Tarifanpassung fuer 189 Betriebe bis 1998 verlängert
Noch erhebliche Produktivitaetsluecken
Drei Jahre hintereinander konnte die ostdeutsche Druckbranche kraeftige Umsatzzuwaechse verbuchen. Das Vorjahresplus von knapp 17 Prozent duerfte 1995 jedoch nicht erreicht werden.
LEIPZIG fmd . Verhaltener Optimismus ist bei der ostdeutschen Druckindustrie angesagt. "Die Talsohle der wirtschaftlichen Entwicklung haben wir durchschritten", erklaerte der Hauptgeschaeftsfuehrer des Bundesverbandes Druck, Walter Hesse, in Leipzig.
Zugelegt habe insbesondere die Zeitungsproduktion in Ostdeutschland, die mittlerweile einen Anteil von 12% an der deutschen Zeitungsproduktion ausmache. Auch die Werbewirtschaft komme in Schwung. Die Produktion von Werbedrucksachen, "die fruehere Achillesferse", so Hesse, habe im Vorjahresvergleich um 45% zugelegt. Kritisiert wurde die Vergabepolitik der oeffentlichen Haende bei Druckereierzeugnissen. Auftraege wuerden primaer an westdeutsche oder auslaendische Druckereibetriebe vergeben.
Das kraeftige Umsatzwachstum darf nicht darueber hinwegtaeuschen, dass sich der Gesamtumsatz der ostdeutschen Branche 1994 mit rd. 1,8 Mrd. DM im Vergleich zur westdeutschen mit rd. 35 Mrd. DM (Anteil von 5%) auch relativ noch kuemmerlich ausnimmt. In die Statistik gehen lediglich Betriebe mit mehr als 20 Beschaeftigten ein. Von den 1340 ostdeutschen Druckereibetrieben werden damit lediglich 116 erfasst, die 1994 rd. 12800 Mitarbeiter (+1,6%) beschaeftigten. Ingesamt sind in der Branche in den neuen Bundeslaendern ca. 20000 Mitarbeiter taetig.
Obwohl die ostdeutschen Druckereibetriebe ueberwiegend mit modernster Technik ausgestattet sind, ist die Produktivitaetsluecke im Vergleich zum Westen noch betraechtlich. Lag in den alten Bundeslaendern der Umsatz pro Beschaeftigten 1994 bei 201000 DM, kamen die neuen Bundeslaender auf einen Beschaeftigten-Umsatz von 140000 DM.
"Bei uns laeuft noch nicht alles rund", sagte der stellvertretende Verbandsvorsitzende der Druckindustrie Sachsen, Thueringen und Sachsen-Anhalt,
Karl Nolle. Das liege im wesentlichen an der noch nicht optimalen Organisationsstruktur der Betriebe und Qualifikationsproblemen. Nolle kritisierte in diesem Zusammenhang die nicht fachgerechte Umschulung von Arbeitnehmern zu Druckern. Facharbeiter seien zur Zeit nur schwer zu bekommen.
Fuer ein Aufatmen in der ostdeutschen Druckbranche hat die juengste Vereinbarung mit der IG Medien gesorgt. Die urspruenglich fuer den 1.Oktober 1995 vorgesehene 100%ige Anpassung der Loehne an das Westniveau verschiebt sich fuer 189 von 205 Betrieben um mehr zwei Jahre auf den 1. Januar 1998, sagte die stellvertretende Verbands-Geschaeftsfuehrerin, Martina Janke.
Fuer eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit" haelt Nolle die bestehenden Unterschiede bei der Entlohnung von Facharbeitern. Derzeit gebe es eine Spanne von Stundenloehnen zwischen 9 DM und 21 DM fuer einen Drucker. Die weitaus meisten Druckbetriebe Ostdeutschlands gehoeren nicht dem Tarifverband an.