Hoyerswerda, 16.09.1999
Soziale Gerechtigkeit und sächsische Wirtschaftspolitik
Rede zur Landtagswahl in Hoyerswerda
Liebe Bürgerinnen und Bürger aus Hoyerswerda !
Ich bin heute gerne, zusammen mit unserem Bundesmister Rolf Schwanitz, nach Hoyerswerda gekommen um mit Ihnen über einige Aspekte und Resultate sächsischer Wirtschaftspolitik zu sprechen.
Ich tue dies als Mitglied des Spitzenteams der sächsischen SPD und begrüße Sie herzlich auch und gerade im Namen unseres Parteivorsitzenden und SPD-Spitzenkandidaten Dr. Karl Heinz Kunckel.
Meine Damen und Herren,
in Italien heißt es: Scheiß Staat, es regnet schon wieder !
Und auch hier kann man in letzter Zeit den Eindruck kriegen:
Wenn die Sonne scheint dann macht das die CDU, wenn es regnet, ist die SPD dran schuld !
Aber lassen Sie sich nicht irre machen. So einfach ist das nicht.
Ja, es stimmt, bis heute hat sich außer der Sprechblase von den blühenden Landschaften auch die Behauptung vom Musterland Sachsen gehalten.
Wie sieht aber die Wirklichkeit aus - und die erfahren Sie doch täglich selber:
Sachsen ist nicht mehr an der Spitze der Entwicklung in Ostdeutschland.
Bei allen Verbesserungen und Erfolgen, die zu verzeichnen sind - die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen hat spürbar nachgelassen.
Beim wirtschaftlichen Wachstum sind wir an 3. Stelle, bei der Anzahl der angemeldeten Patente, bei der Produktivität und vor allem beim Abbau der Arbeitslosigkeit ist Sachsen an letzter Stelle.
Wir haben heute in Sachsen 500 000 Arbeitslose, wenn wir auch diejenigen rechnen, die vorübergehend in Maßnahmen sind.
Meine Damen und Herren,
das sind 90.000 Arbeitslose mehr als noch vor 5 Jahren eine Zunahme seit 1994 um 22 % !
Das ist CDU-Realpolitik pur.
In der Politik sollte man immer Roß und Reiter nennen.
Wer hat denn in den letzten 9 Jahren in Sachsen regiert ?
Wer hat denn in den letzten 16 Jahren in Bonn regiert ?
Manchmal könnte man glauben, das war keiner !
Es will keiner regiert haben, aber es war, wie wir alle wissen, die CDU.
Und Sie, meine Damen und Herren hier in der Region Hoyerswerda, haben von Biedenkopf und Schommer die rote Laterne des Schlußlichtes in Sachsen umgehängt bekommen.
Hier sind erschreckende 25 % Arbeitslosigkeit zu verzeichnen und natürlich eine beängstigend hohe Jugendarbeitslosigkeit, während der Schnitt in Sachsen 18,3 % beträgt.
Aber nicht genug, seit 1994 sind aus Sachsen über 300 000 Menschen weggegangen, weggezogen, wir können auch sagen, sie sind von den Segnungen der realexistierenden sozialen Marktwirtschaft vertrieben worden.
Aber nicht genug, davon waren alleine 80 000 Menschen unter 25 Jahren.
Sachsen läuft die Jugend davon !
Hoyerswerda läuft die Jugend davon !
In ein paar Jahren ist Sachsen das Land mit der ältesten Bevölkerung und dem ältesten Ministerpräsidenten.
Das ist dann das Ergebnis von CDU Realpolitik !
Bedenken müssen wir auch, daß Woche für Woche über 120 000 Pendler aus Sachsen in anderen Ländern arbeiten.
Bedenken müssen wir auch, die dramatisch zunehmende Zahl von Sozialhilfeempfängern.
Bedenken müssen wir auch die steigende Zahl von Menschen, die durch Freitod weggehen, um nicht wiederzukommen.
Meine Damen und Herren,
Rentner die an der Armutsgrenze leben, Kinderarmut und Familienarmut und die Arbeitslosigkeit, das sind die dramatischen Symbole einer Gesellschaft, die sich gerne sozial nennt.
Aber Soziale Gerechtigkeit muß auch erfahrbar sein, wenn sich alles nicht als frommes Kindermärchen herausstellen soll.
Ja, wir Sozialdemokraten diskutieren über die sich wandelnde Bedeutung des Wertes und Wortes Soziale Gerechtigkeit.
Das hat 1920 nicht das Gleiche bedeutet wie heute.
Soziale Gerechtigkeit, das ist heute zuallererst, für ein sozialpolitisches Recht auf Arbeit zu streiten.
Wo wir offensichtlich nur ein Recht auf Arbeitslosigkeit haben.
Das ist heute zuallererst, auf der Angleichung der Lebensbedingungen zwischen Ost und West zu bestehen.
Wir stellen fest:
Das Sparguthaben der ostdeutschen Haushalte bei den Banken ist ein drittel von Westdeutschland.
Das Immobilienvermögen der ostdeutschen Haushalte ist ein drittel von Westdeutschland.
Nach Ostdeutschland gehen fünf mal soviel Waren rein wie raus !
Nur 2 % der Lebensmittel hier in den Läden kommt aus Ostdeutschland, es müßten 20 % sein !
Nur 5 % der hier gelesenen Drucksachen werden hier hergestellt, es müßten 20 % sein.
Die Transfermilliarden nach Ostdeutschland sind auch ein Konjunkturprogramm für Westdeutschland.
Meine Damen und Herren,
was für mich eine besonders erschreckende Erfahrung bei meinen Fahrten durchs Land war: Wir sind weit davon entfernt von der Forderung:
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit !
In der Lausitz, im Erzgebirge, im Voigtland habe ich
Betriebe gesehen, wo immer noch Hungerlöhne von 5 bis 6 Mark gezahlt werden.
Davon kann niemand eine Familie ernähren, das muß aufhören!
Wenn es sich nicht mehr zu arbeiten lohnt, dann produzieren wir Sozialhilfeempfänger und Armut.
Das ist ein Ergebnis sächsischer CDU-Politik !
Der Irrsinn muß aufhören!
Deshalb unsere wichtigsten Aufgaben:
1) Arbeitsplätze schaffen durch Stärkung der mittelständischen Wirtschaft.
Dort werden 80 % der Arbeitsplätze und 70 % der Ausbildungsplätze geschaffen.
2) Sächsische Aufträge gehen an sächsische Unternehmen !
3) Öffentliche Aufträge und Förderungen nur an Firmen, die kein Lohndumping oder Preisdumping betreiben !
4) Öffentliche Aufträge und Förderungen bevorzugt an Unternehmen, die ausbilden und Frauenarbeitsplätze schaffen!
4) Energisches Vorgehen gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung.
5) Energisches Vorgehen bei Verstößen gegen das Gesetz über Mindestlöhne auf dem Bau !
6) Festlegung von sozialen Mindeststandards bei Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Förderungen.
7) Energisches Vorgehen gegen die Zahlungsunmoral !
Meine Damen und Herren,
die CDU Staatsregierung hat in ihrer Politik die Regionen vergessen.
Die CDU trägt dafür allein die Verantwortung.
Zeigen Sie der CDU und Herrn Biedenkopf die rote Karte.
Mit der ersten Stimme wählen Sie unsere Maritta Albrecht !
Mit der zweiten Stimme wählen Sie die SPD in den Landtag!
Doppelt gewählt hält besser !
Wählen Sie mit beiden Stimmen die SPD.
Herzlichen Dank !