Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 08.07.2009

Tillich: Habe mit Angriffen gerechnet

Regierungschef nimmt erneut zu DDR-Vita und seinem Fragebogen Stellung
 
Dresden. Einen 20 Zentimeter dicken Papierstapel hat Stanislaw Tillich zur Pressekonferenz in die Staatskanzlei mitgebracht. Es ist der deutsch-deutsche Einigungsvertrag und er soll den Journalisten illustrieren, woran sich der Ministerpräsident erinnern kann und woran nicht: An diesem Werk habe er tagelang rund um die Uhr mitarbeitet, dass sei ihm sehr gegenwärtig. Doch an die Grundstücks-Enteignungen, die im Herbst 1989 in seinem Beisein beim Rat des Kreises Kamenz entschieden wurden, nein, das wisse er nicht mehr.

„Ich kann das nicht ausschließen“, sagt Tillich, „das gehörte zum Umfang der Tätigkeit dazu.“ Es habe niemand in die Unterlagen hineingeschrieben, dass es sich um einen Rechtsbruch handelt. Also habe man auch keine Fragen gestellt. Aber es könne ihm auch nicht angelastet werden, dass er solche Dinge vorangetrieben habe. Am Montag war bekannt geworden, dass in Kamenz noch im Oktober 1989 Filetstücke in der Innenstadt dem Volkseigentum zugeschlagen worden waren, von Besitzern, die sowohl in der DDR wie in der BRD lebten. Damit gibt es nun fünf Enteignungsfälle, die Tillich mit angelastet werden.

Eigentlich ist es die letzte Pressekonferenz des Kabinetts vor der Sommerpause und zugleich die wohl letzte dieser Wahlperiode, und Tillich möchte eigentlich Bilanz der vergangenen fünf Regierungsjahre ziehen. Vieles sei erreicht worden, in den Jahren der schwarz-roten Koalition, sagte er.

Doch die Fragen der Journalisten gehen ausschließlich zurück zu Tillichs Verantwortung, die er als Stellvertreter beim Rat des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung 1989 übernommen hat und dahin, dass er die Öffentlichkeit über dieses Kapitel nur scheibchenweise informierte. Seine kleine Karriere auf dem Ticket der Ost-CDU in der Kreisverwaltung Kamenz sei eben Teil seiner Biographie und sicher kein Ruhmesblatt, sagt Tillich erneut. „Wenn das manch einen überrascht, muss die Geschichte weiterhin aufgearbeitet werden.“ Er selbst habe mit diesen Angriffen schon gerechnet, als er sich im April 2008 in einer Runde sächsischer Spitzenpolitiker entschied, das Amt als Ministerpräsident von seinem Vorgänger Georg Milbradt zu übernehmen.

Mittlerweile gesteht der Regierungschef auch ein, dass es fragwürdig war, mit der Veröffentlichung seines Personalbogens zur DDR-Vita acht Monate zu warten. „Man hätte das eine oder andere anders machen können“, sagt Tillich. „Aus Fehlern muss man lernen.“ Diverse Medien hatten seit Herbst auf die Herausgabe des umstrittenen Fragebogens und seiner umstrittenen Antworten gedrängt, erst am Montag hatte der Ministerpräsident das Papier dann per Bild-Zeitung publik gemacht. Unter anderem geht es dabei um dienstliche Kontakte zur Stasi und um Funktionen in der DDR-Nomenklatura.
Sven Heitkamp