Karl Nolle, MdL
FOCUS 19, 07.05.2001
Sachsen: "Dank für die Mühe"
Kurt Biedenkopf gerät in Bedrängnis -- seine Frau soll sich für einen dubiosen Unternehmer verwandt haben
Der Stahlschrank im sächsischen Landtag hat es in sich: Hier lagern Berge von Akten der Leipziger Staatsanwaltschaft. Bestellt hat sie niemand. „Sie sind uns", so Landtagssprecher Ivo Klatte etwas ratlos, „von Behörden unaufgefordert zugesandt worden."
Mit denn laufenden Untersuchungsausschuss, der mögliche Freundschaftsdienste Biedenkopfs für Großinvestor Heinz Barth klären soll, hat das überraschende Aktenpaket der Staatsanwaltschaft nichts zu tun. Trotzdem beinhaltet es Hochbrisantes: In Grimma bei Leipzig mietete das Land Sachsen 1994 von einem Investor einen Bürokomplex zu derart horrenden Preisen, dass eine Staatsanwältin 1995 mit Nachforschungen begann und zielgerichtete Ermittlungen wegen Korruptions- und Untreueverdachts aufnahm (Az-60015 45 855/96).
Als das unter Druck geratene Finanzministerium versuchte, den Schaden für das Land wenigstens zu mildern, fand der Investor Peter Schlesiger eine einflussreiche Fürsprecherin - Landesmutter Ingrid Biedenkopf.
Warum das Land den dreiteiligen Komplex in Grimms überhaupt mietete, ist schleierhaft: In einem FOCUS vorliegenden Aktenvermerk der Oberfinanzdirektion (OFD) Chemnitz vom Juli 1994 heisst es: „Zuvor war Herrn Schlesiger deutlich gemacht worden, dass die Mietzinshöhe unter 20 Mark liegen sollte, da dem Freistaat Angebote in dieser Größenordnung für schlüsselfertige Objekte in verkehrsgünstiger Lage in Leipzig vorliegen. (...) Dagegen hat der Freistaat kein Interesse an einer Anmietung des 3.Bauabschnittes."
Dann kam alles anders; Gegen die vorher ausgegebene OFD-Richtlinie mietete das Finanzministerium 1994 den ersten Bauabschnitt für 27, den zweiten für 25 und das gar nicht benötigte dritte Gebäude für 20 Mark pro Quadratmeter auf zehn Jahre an. Damals galten 27 Mark selbst in der Leipziger City als überteuert.
Als die Ministerialen - derweil von der Opposition attackiert - die hanebüchene Miete drücken wollten, wandte sich Schlesiger Hilfe suchend an Frau Biedenkopf und barmte, sie sollte als Vermittlerin darauf einwirken, dass ein gesundes Unternehmen nicht durch ein grob rechtswidriges Verhalten des Freistaates in den Konkurs getrieben wird".
Und Ingrid half, unbelastet von der Tatsache dass die Mietaffäre zu einem Fall für die Ermittler geworden war. Mit „herzlichen Dank für die Mühe" leitete sie den Bettelbrief „zur Prüfung des Sachverhalts" an den damaligen Finanzstaatssekretär Carl weiter. Im Februar 96 versicherte Carl der „sehr verehrten Frau Biedenkopf“, er habe dem Chef der OFD um eine einvernehmliche Lösung gebeten.
Jetzt will die SPD/PDS-Opposition den Untersuchungsauftrag auf den Fall Grimma erweitern, Ingrid Biedenkopf als Zeugin laden und klären, warum das Ermittlungsverfahren damals eingestellt wurde.
Damit könnte für den Regierungschef eine Grenze überschritten sein. „Wenn meine Frau sich, aufregt", kolportieren CDU-Größen seine Drohung, „dann kann ich nicht arbeiten."
(von Alexander Wendt)