Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 16.07.2009

Fall Hutberghotel bringt Tillich erneut in Misskredit

Ministerpräsident entzog Gastronom 1989 Gewerbeerlaubnis / Wirt: Grund war politische Vorstrafe
 
Dresden. Seine DDR-Vergangenheit als Stellvertreter des Vorsitzenden beim Rat des Kreises Kamenz holt Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wenige Wochen vor der Landtagswahl fast täglich aufs Neue ein. Erst wurde heftig über seinen lange geheim gehaltenen, persönlichen Fragebogen über DDR-Funktionen und Stasi-Kontakten debattiert, den er bei seinem Amtsantritt als Minister unter Alt-Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU) ausfüllte. Später sorgten eine Handvoll Zwangsenteignungen von Gebäuden und Grundstücken in der Kamenzer Innenstadt für Furore, an denen Tillich 1989 in seiner damaligen Funktion beim Kreis mit beteiligt war.

Gestern nun kam eine weitere Geschichte an die Öffentlichkeit: Demnach hatte Tillich im Frühjahr 1989 – kurz nach seinem damaligen Amtsantritt – dem Gastronomen der Kamenzer Hutberggaststätte, Peter Kurras, dessen Gewerbeerlaubnis entzogen. Vorgeworfen wurden dem Betreiber des Ausflugslokals seinerzeit unter anderem „Unvollständigkeit der Preisnachweisunterlagen“, „keine Einkommensnachweise für Tanzveranstaltungen“, „Nichteinhaltung der mit dem örtlichen Organ abgestimmten Öffnungszeiten“, „Behinderung der Kontroll- und Prüfungsorgane“ sowie „Ignorierung von Vorladungen der Staatsorgane“. Das zweiseitige Schreiben, das auch dieser Zeitung vorliegt, trägt Tillichs persönliche Unterschrift.

Der inzwischen 66-jährige Rentner Kurras wirft Tillich in Berichten der SuperIllu und der Zeitung Welt nun vor, der heutige Regierungschef habe seine wirtschaftliche Existenz, ja sein Leben, zerstört. Die damals von Tillich angeführten Gründe seien nur vorgeschoben gewesen. Der Ministerpräsident äußert sich zu den Vorwürfen im Gespräch mit dieser Zeitung (siehe Interview).

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"Heute, zwanzig Jahre nach der Wende, kann quasi jeder alles behaupten".

TILLICH: Es ist wirklich ungeheuerlich! Heute, zwanzig Jahre nach der Wende, kann quasi jeder alles behaupten. Dass ich als Person durch mein Amt ein attraktives Ziel für solche Angriffe bin, ist doch klar. Ich vermute, das wird bis zur Landtagswahl auch so weitergehen. Ich kann nach zwanzig Jahren aus der Erinnerung heraus zu diesem Vorgang nichts sagen. Wie soll ich denn heute objektiv solche Behauptungen prüfen und entkräften. Ich habe mein Leben in der DDR offengelegt und eingeordnet. Dazu stehe ich! Ich habe mir nichts vorzuwerfen.
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In den vergangenen Wochen hat Tillich allerdings bereits mehrfach eingeräumt, seine kleine Karriere auf dem Ticket der Ost-CDU in der Kreisverwaltung Kamenz sei „kein Ruhmesblatt“.

Pikant ist die neueste Geschichte allerdings noch aus einem anderen Grund: Kurras war einst als 17-Jähriger in Berlin von der Stasi wegen angeblicher „feindlicher Nachrichtenübermittlung“ und „Spionagetätigkeit“ verfolgt und mehr als zwei Jahre in Bautzen inhaftiert worden. Später ließ er sich jedoch „unter Druck“, wie er sagt, als IM anwerben. Er habe auf eine Ausreise gehofft. In Kamenz habe er sich unbehelligt von der Stasi eine neue Existenz aufbauen wollen. Der wahre Grund für den Entzug seiner Lizenz, so Kurras, „war doch meine politische Vorstrafe“.

Tatsächlich war Kurras laut Aktenlage zunächst vom Kamenzer Bürgermeister und von der Stadtverordnetenversammlung zur Übernahme der Gaststätte beglückwünscht worden. „Sie leisten einen wichtigen und geschätzten Beitrag zur gastronomischen Versorgung unserer Bürger“, heißt es in einem Schreiben. Heute muss er nach eigenen Angaben mit 600 Euro Rente im Monat auskommen – ohne eine Opferrente.
Sven Heitkamp
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Tillichs Schreiben im Internet unter www.lvz-online.de/download