Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 17.07.2009

Die Vergangenheit lässt Tillich nicht los

Wieder Vorwürfe gegen den heutigen sächsischen Ministerpräsidenten zu seiner Zeit im DDR-Staatsapparat
 
Dresden. Von „absurd" bis „ungeheuerlich" reicht die Spanne der Kommentare, mit denen Ministerpräsident Stanislaw Tillich selbst und seine sächsische CDU auf neuerliche Attacken gegen seine Person zu seiner DDR-Vergangenheit reagiert haben. „Heute, 20 Jahre nach der Wende, kann quasi jeder alles behaupten", wetterte Tillich.

Sei es, wie es sei, um die Person Tillich zieht keine Ruhe ein. Das vermutet Tillich mit Blick auf die Landtagswahlen am 30. August inzwischen selbst. Immer wieder holen ihn Schatten seiner Tätigkeit im DDR-Staatsapparat ein: Seit Mittwoch behauptet ein Kamenzer Gastwirt, Tillich habe ihn 1989 als da maliger Stellvertretender Vorsitzen der des Rates des Kreises für Handel und Versorgung in Kamenz durch den Entzug der Gewerbeerlaubnis ruiniert. So schreiben es „Super-Illu" und die „Welt".

Die Geschichte ist so skurril wie filmreif: Als 17 Jähriger kommt 1960 der spätere Gastwirt wegen Spionage für 27 Monate ins Zuchthaus, wird später selbst Inoffizieller Mitarbeiter (IM) und stellt angeblich mehrere Ausreiseanträge.

Weil die Stasi dem offenbar Abtrünnigen nun hat am Zeug flicken wollen, habe man den Betreiber des „Hutberghotels" in Kamenz, der er inzwischen war, „fertig machen wollen". Von staatlichen Stellen reichlich schikaniert, habe ihm Tillich im Mai 1989 schließlich als letztem Akt schriftlich die Gewerbeerlaubnis entzogen. „Dieser Brief hat mein Leben ruiniert", meint der 66-jährige Gastwirt heute.

Sie könne Tillichs Empörung nicht verstehen, fuhr gestern die Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau dem Ministerpräsidenten in die Parade. Was jetzt passiere, liege zu allererst daran, dass er es über ein halbes Jahr verpasst habe, reinen Tisch zu machen. „Ihre Versäumnisse rächen sich jetzt."

Für CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer ist es „wirklich abenteuerlich, dass nun ein IM der Stasi als Kronzeuge fungiert". Die Grenze des Erträglichen sei erreicht.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle warf der CDU postwendend vor: Wer „heute noch Stasi-Offiziere zu Bürgermeistern macht, ist an Doppelmoral nicht zu übertreffen". Er verwies dabei auf den stasibelasteten Bürgermeister von Mühlau, Frank Rüger, der 2008 mithilfe der örtlichen CDU wiedergewählt worden war. Andrea Roth, Fraktionsvize der Linken, sprach von einem Bärendienst Tillichs gegenüber den Ostdeutschen mit seiner „Ich bin einer von euch"-Taktik.
VON UWE KUHR