Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 17.07.2009

„Absurde Dimension“

DDR-Vergangenheit: Vorwürfe gegen Sachsens Ministerpräsident Tillich lösen scharfe Debatte aus
 
Dresden. Die jüngsten Vorwürfe gegen Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) haben erneut eine scharfe Debatte über dessen Umgang mit seiner DDR-Vergangenheit ausgelöst. Andrea Roth, Vize-Chefin der Linke-Fraktion, warf Tillich vor, mit seiner Salamitaktik, immer nur zuzugeben, was nachgewiesen werde, seinem Amt und dem Ansehen des Freistaats zu schaden. Tillich war im Jahr 1989 der für Handel und Versorgung zuständige stellvertretende Vorsitzende des Rates des Kreises Kamenz. Am Mittwoch war bekannt geworden, dass er in seiner Funktion dem Pächter einer Gaststätte samt Hotel im Frühjahr 1989 die Gewerbeerlaubnis entzogen hatte.

CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer verteidigte den Regierungschef jedoch gegen Kritik. Die Vorwürfe hätten eine „absurde Dimension“ erreicht. Es sei „abenteuerlich, dass nun ein IM der Stasi als Kronzeuge fungiere“, erklärte Kretschmer mit Blick auf den Gastronom. Der heutige Rentner wirft Tillich vor, dieser habe damals aus politischen Gründen gehandelt und „sein Leben ruiniert“. Der Mann war 1960 von der Stasi für 27 Monate in Bautzen inhaftiert worden, hatte sich später aber als IM anwerben lassen. Das Landgericht Potsdam hat ihn 2004 jedoch laut einem dieser Zeitung vorliegenden Gerichtsbeschluss vollständig rehabilitiert. Tillich selbst nannte die Vorwürfe in dieser Zeitung ungeheuerlich. 20 Jahre nach der Wende könne quasi jeder alles behaupten.

Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau entgegnete, sie könne die Empörung des Regierungschefs nicht verstehen. Wenn er meine, dass jeder alles behaupten könne, „dann liegt das zuallererst daran, dass es Tillich über ein halbes Jahr verpasst hat, reinen Tisch zu machen“. Er habe seine Glaubwürdigkeit verspielt.

Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle warf dem Regierungschef vor, dass er bislang kein Wort der Entschuldigung, des Bedauerns oder der Scham geäußert habe. Wenn er weiter „so kalt und unsensibel mit Vorwürfen aus seiner Vergangenheit umgeht, wird er nicht im Amt bleiben können“. Offen sei zudem, ob und wie oft Tillich in der Sache dienstlichen Kontakt mit der Stasi hatte.
Sven Heitkamp