Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 21.07.2009

Fehlerhafte Angaben im Nolle-Buch zu Tillichs Ehefrau

Laut Akten hat Veronika Tillich die Parteischule der Ost-CDU nie besucht – im Enthüllungsbuch von Karl Nolle steht etwas anderes.
 
Es ist ein Kapitel in seinem aktuellen Buch über die Biografien von ostdeutschen CDU-Politikern, das den SPD-Landtagsabgeordneten Karl Nolle besonders viel Kritik einbrachte: Der Sozialdemokrat geht dabei nicht nur auf den Lebenslauf von CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich ein, sondern auch auf den von Tillichs Ehefrau Veronika.

Diese, so schreibt Nolle, habe zu DDR-Zeiten als CDU-Kader die Parteischule in Burgscheidungen besucht. Eine Institution, die Nolle als die „zentrale Kaderschmiede der Ost-CDU“ bezeichnet. Alle Lehrgangsteilnehmer wären in Burgscheidungen auf die unterstützende Rolle der Ost-CDU im DDR-Machtsystem vorbereitet worden.

Doch Kritiker rieben sich hier an etwas anderem. Der CDU-Politiker Heinz Eggert, dem in dem Buch ebenfalls ein Kapitel gewidmet ist, sprach von einem „deutschlandweit fast einmaligen Tabubruch“, weil Nolle nicht nur Tillich, sondern auch dessen Familie angreift. Selbst SPD-Chef Thomas Jurk rügte Nolle unverhohlen: „In der politischen Auseinandersetzung gibt es für mich eine klare Grenze: Wenn die Familie mit hineingezogen wird, ist der Bogen überspannt.“

Stasi-Akten als Info-Quelle

Um so heikler ist, dass es inzwischen klare Hinweise gibt, dass Nolles Angaben zu Veronika Tillich falsch sind. Die Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin, die das CDU-Parteiarchiv und damit auch die Unterlagen der Schule in Burgscheidungen verwaltet, hat den vorhandenen Aktenbestand auf Anfrage der SZ mehrfach geprüft. Das Ergebnis: Veronika Tillich wurde weder zu dem angegebenen Mittelstufenlehrgang Anfang 1987 noch zu anderen Terminen als Lehrgangsteilnehmerin geführt. Es gibt keinen Teilnehmerausweis auf ihren Namen, keinen der üblichen Beurteilungsbögen, keinen Eintrag in der Teilnehmerkartei und auch keinen entsprechenden Eintrag in den Zimmerbelegungslisten.

Lediglich in einem Brief des CDU-Hauptvorstandes vom 17. November 1986 taucht ein Hinweis auf sie auf. Darin wird dem Schuldirektor vorgeschlagen, eine „Monika Tillich“ (offenkundig eine Verwechslung des Vornamens) aus dem CDU-Kreisverband Kamenz zu dem Mittelstufenlehrgang I/87 einzuladen. Allerdings fehlt auch dort die notwendige Freistellungsbescheinigung, sodass sich die Stiftung sicher ist: Veronika Tillich war nie als Schülerin in Burgscheidungen.

Karl Nolle erklärte dazu auf Anfrage, die im Buch aufgeführten Namen würden aus den Anmeldelisten für die Lehrgänge stammen, die von der CDU-Abteilung Kader „offenbar direkt in Kopie an die Hauptabteilung XX des MfS weitergereicht wurden“. Die Unterlagen befänden sich im Archiv der Birthler-Behörde. Der Name von Veronika Tillich wäre auf der Teilnehmerliste des Mittelstufenlehrgangs I/87 (Januar bis März 1987) verzeichnet. Diese Liste sei am 14. November 1986 erstellt worden, einem Zeitpunkt, zu dem Frau Tillich „fest als Teilnehmerin vorgesehen war“. Welche innerparteilichen Gründe dazu führten, dass es nicht zur Teilnahme kam, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung nun behauptet, sei ihm nicht bekannt. „Selbstverständlich werde ich in der in Kürze erscheinenden dritten Auflage meines Buches den Aspekt der nicht belegbaren Teilnahme darstellen.“
Von Gunnar Saft

------------------------------------------
Stellungnahme zu Presseveröffentlichung der SZ vom 21.07.09 und zur Quellenlage für mein Buch "Sonate für Blockflöten und Schalmeien"

Nachrichten aus der Nische ...

"Auf zwei Seiten meines Buches beleuchte ich Kaderschulungen der Ost-CDU in der Zentralen Bildungsstätte der CDU "Otto Nuschke" in Burgscheidungen und nenne einige sächsische Teilnehmer der Lehrgänge. Diese Namen stammen aus den Anmeldelisten für die Lehrgänge, die von der CDU-Abteilung Kader offenbar direkt in Kopie an die Hauptabteilung XX des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) weitergereicht wurden. Das zeigt, wie eng die DDR-CDU und das MfS im SED-Regime kooperiert haben.

Die Unterlagen, rund 80 Seiten, befinden sich heute im Archiv der Birthler-Behörde. Überliefert sind dort mehrere Hundert Namen von "Unionsfreunden", die für diverse Lehrgänge von März 1984 bis November 1989 angemeldet waren. Der Name von Veronika Tillich ist auf einer Teilnehmerliste des Mittelstufenlehrgangs I/87 vom 8.1 -26.3.1987 verzeichnet. Diese Liste wurde am 14. November 1986 erstellt - zu diesem Zeitpunkt war Frau Tillich also fest als Teilnehmerin vorgesehen. Welche innerparteilichen Gründe schließlich dazu geführt haben, dass es nicht zur Teilnahme gekommen sein soll, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung der SZ vom 21.7.09 gegenüber behauptet, ist mir nicht bekannt, möglicherweise ist das Archiv in einem ähnlichen, von politischen Interessen nicht unabhängigen Zustand, wie das Kreisarchiv in Kamenz, deren jeweilige Nutzer der Sächsischen Staatskanzlei gemeldet werden.

Selbstverständlich werde ich in der in Kürze erscheinden dritten Auflage meines Buches den Aspekt der unterschiedlichen Quellenlage und die laut Konrad- Adenauer-Stifung nicht belegbaren Teilnahme entsprechend darstellen.

Ganz unabhängig davon war Veronika Tillich als politische Instrukteurin und zeitweilige Stellvertreterin des 1. CDU-Kreissekretärs in Kamenz eine herausgehobene Funktionärin. Die Anmeldung über den Hauptvorstand der CDU unterstreicht das besondere Vertrauen in ihre politische Zuverlässigkeit und Linientreue.

Auch Stanislaw Tillich sollte laut seinem von ihm selbst unterzeichneten Ausbildungsplan einen Lehrgang in Burgscheidung besuchen - wozu es ebenfalls nicht gekommen sein soll. Die herausgehobenen Funktionen der Tillichs für die Ost-CDU sind alles andere als Ausdruck der von Stanisilaw Tillich viel beschworenen unpolitischen Nische der kleinen Kirchgemeinde auf dem Lande, in der er sich damals befunden haben will, wie er noch heute erklärt.

In allen anderen in meinem Buch erwähnten Fällen - beispielsweise Frank Kupfer, Andrea Dombois, Michael Czupalla, Peter Kaminski - führte die in den Stasi-Papieren überlieferte Anmeldung zur Teilnahme an entsprechenden Lehrgängen der CDU-Kaderschmiede "Otto Nuschke". "

----------------------------------------------
ps. Das Buch "Sonate für Blockflöten und Schalmeien" wurde vor vier Wochen vorgestellt, nach 5.000 Exemplaren der ersten und zweiten Auflage wird nunmehr die dritte Auflage vorbereitet.

gez. Karl Nolle, MdL, 21.07.09


----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------