Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 01.08.2009

Ludwig: Krise hat Osten voll erfasst

IWH-Experte erwartet 15 Prozent Rückgang in der Industrie und Eintrübung auf dem Arbeitsmarkt
 

Halle (peko). Die neuen Länder sind von der Finanzkrise offenbar stärker betroffen als zunächst angenommen. So setze der weltweite Nachfrageeinbruch vor allem dem Verarbeitenden Gewerbe als bisherigem Wachstumsträger immer stärker zu, heißt es in der jüngsten Einschätzung des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), die in der kommenden Woche veröffentlicht wird. Für die Industrie sagen die Konjunkturexperten 2009 einen Rückgang von über 15 Prozent voraus. Allerdings fielen die Einbrüche wegen der geringen Ausrichtung auf die Auslandsmärkte im Vergleich zum Westen noch moderat aus. Insgesamt werde die Produktion um 4,5 Prozent sinken und damit unter den Stand von 2006 zurückfallen.
 
Hätte eine derartige globale Rezession die ostdeutsche Wirtschaft vor zehn Jahren getroffen, wären die Folgen weitaus dramatischer gewesen, schlussfolgerte IWH-Ost-Experte Udo Ludwig. Dann wäre der Osten „am Krückstock gegangen“ und auf ein Niveau wie gleich nach der Wende zurückgefallen. Gegenwärtig seien die neuen Länder zwar von der Krise „voll erfasst“, aber es werde keinen Dammbruch geben. Allerdings habe der kräftige Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion inzwischen auch den ostdeutschen Arbeitsmarkt erreicht, heißt es in dem dieser Zeitung vorliegenden Papier.

So setzte sich der Abwärtstrend bei der Zahl der Erwerbstätigen, die im vierten Quartal 2008 um 13 000 Personen zurückgegangen sei, auch 2009 fort. Allein in den ersten drei Monaten diesen Jahres verloren weitere 36 000 Beschäftigte ihren Job. „Damit ging eine längere Phase der Besserung auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt zu Ende“, wird in dem IWH-Papier hervorgehoben. Zwischen 2005 und 2008 sei die Zahl der Erwerbstätigen erstmals seit der Vereinigung gestiegen und habe um 3,2 Prozent zugelegt.

Der nun durch die Krise verursachte rückläufige Trend betreffe vor allem die Bereiche Industrie, Verkehr und einige Unternehmensdienstleister. Insgesamt ist laut IWH das Stellenangebot in der ostdeutschen Wirtschaft dramatisch eingebrochen. Es habe 2008 rund 18 Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen. Für die zweite Jahreshälfte sagen die Experten eine weitere deutliche Verschlechterung voraus. Viele Firmen, die zur Kurzarbeit übergegangen seien, „müssen nun ihren Personalbestand anpassen“. Die Arbeitslosenquote werde von 13,3 Prozent in 2008 auf 14 Prozent in diesem Jahr zunehmen. Würde die Zahl der Pendler in die alten Länder, die 2008 rund 400 000 betragen habe, mit hinzugerechnet, fehlten in Ostdeutschland über 1,65 Millionen Arbeitsplätze.

Auf den Export der Ost-Unternehmen wirkt sich die Rezession nach IWH-Erkenntnissen immer stärker aus. So expandierten die Ausfuhren bereits 2008 mit sieben Prozent nur noch halb so stark wie in den vorangegangenen fünf Jahren. Für 2009 müsse die Exportwirtschaft erstmals seit Anfang 90er Jahre Absatzeinbußen hinnehmen. Bereits im vierten Quartal 2008 hätten die Auftragseingänge um 21 Prozent unter Vorjahresniveau gelegen, bei Investitionsgütern sogar um 27 Prozent. Wenig Hilfe wird bei der Krisenbewältigung hingegen vom privaten Konsum erwartet.

Die real verfügbaren Einkommen seien in den vergangenen Jahren im Osten immer weiter gesunken und damit auch die Konsumnachfrage. Zugleich wird laut IWH die Krise die bestehenden Vermögensunterschiede zwischen Ost und West weiter verfestigen. So hätten 2007 die Ostdeutschen durchschnittlich 11 000 Euro als Geldvermögen sowie in Versicherungen und Bausparverträgen angelegt. In Westdeutschland besäße die Bevölkerung hingegen durchschnittlich 27 000 Euro in diesen Vermögensarten.