Karl Nolle, MdL

Süddeutsche Zeitung, 03.08.2009

"Deutschland-Plan" der SPD - Steinmeiers Wunderwaffe

Steinmeiers "Deutschland-Plan" verlässt die Bahnen der gewohnten SPD-Politik. Er ist pfiffig - und interessanter als das, was die Union zu bieten hat. Allerdings verspricht er zu viel.
 

Es gibt zwei Arten, auf die Millionenarbeitslosigkeit in Deutschland zu reagieren. Die eine heißt Lethargie, die andere Phantasie. Politische Lethargie hat das Land unter wechselnden Regierungen zur Genüge erlebt. Es hat zwar nicht am gescheit Daherreden, aber am gescheiten Tun gefehlt. Die Folge: Die Gesellschaft hat sich an die Massenarbeitslosigkeit gewöhnt wie an eine Baulücke; man sieht sie nicht mehr.

Politische Phantasie hat Deutschland nur in der Abart der Phantasterei erlebt: Das war vor gut elf Jahren, als der Kanzlerkandidat Gerhard Schröder 1998 einen radikalen Abbau der Arbeitslosigkeit binnen vier Jahren versprach, aber dann als Kanzler nur einen radikalen Um- und Abbau des Sozialsystems zuwege brachte. Das haben die Menschen nicht vergessen.

Der getreue Helfer Schröders

Schröder hat ihnen neue Hosen versprochen. Als sie deswegen ihre alten heruntergelassen hatten, nahm er sie ihnen weg. Die neuen Hosen kamen nie. Die Leute haben auch nicht vergessen, wer der getreue Helfer Schröders bei diesem Coup war: der jetzige SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier. Steinmeier hat es bisher nicht geschafft, diese Vergangenheit abzuschütteln.

Das sind schlechte Voraussetzungen für einen guten Plan: Steinmeiers "Deutschland-Plan" zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zum Umbau der Wirtschaftsgesellschaft ist nämlich phantasievoll. Der Plan hat Substanz und ein gutes Fundament: Das Fundament ist grün, es ist offensichtlich auf den klugen Überlegungen eines "Green New Deal" gebaut, eines ökologischen Um- und Ausbaus der Wirtschaft, wie er von den UN propagiert wurde. Es geht um bahnbrechende Veränderungen im Autobau, im Klima- und Umweltschutz und bei der Nutzung erneuerbarer Energien.

Propheten einer neuen Arbeitsgesellschaft


Die Metaphorik knüpft an den "New Deal" des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt an, der in den dreißiger Jahren mit entschlossenen Reformen sein Land aus den Fängen der Weltwirtschaftskrise befreit hat. Der neue, der "Green New Deal" will nun die Wirtschaft ökologisch stimulieren, er will "grüne Jobs" schaffen, er will in eine wenigstens grün angehauchte Autoindustrie investieren. Das alles ist tatsächlich "kreativ", wie Steinmeier sagt. Und sein weiteres Vorhaben, in der Bildung, in der Kranken- und Altenpflege Hunderttausende neuer Stellen zu schaffen, ist bitter notwendig. Indes: Wie will Steinmeier hier zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, wo doch dafür nun die Länder zuständig sind? Da holt ihn die Föderalismusreform ein.

Der "Deutschland-Plan" verlässt die Bahnen der gewohnten SPD-Politik, er ist pfiffig - und er ist interessanter als das, was die Union zu bieten hat. Allerdings verspricht Steinmeier, um endlich aus der politischen Defensive herauszukommen, viel zu viel auf die Schnelle: Vier Millionen neue Arbeitsplätze sind nur ein schöner Wunschtraum. Wäre in überschaubarer Zeit die Hälfte zu schaffen, es handelte sich um eine Großtat. Großtaten ohne große Ideen gibt es freilich nicht. Die ökologische Stimulierung der Wirtschaft ist eine solche große Idee.

Es ist Steinmeiers Pech, dass die Menschen hinter einem Beschäftigungswunder einen anderen Urheber vermuten: nicht den quasibeamteten sozialdemokratischen Unglückswurm, sondern mindestens einen alerten Baron. Würde Baron Guttenberg Steinmeiers Plan vorstellen, man würde ihn wohl allenthalben als den Propheten einer neuen Arbeitsgesellschaft preisen. So überschätzt der Wirtschaftsminister Guttenberg derzeit ist, so unterschätzt ist Steinmeier: Er ist ein ordentlicher, fleißiger und kluger Arbeiter. Weil er weiß, dass das nicht genügt, legt er für seinen Wahlkampf einen schillernden "Deutschland-Plan" vor.

Es handelt sich um ein gewagtes Versprechen. Aber Wahlkampfversprechen, die das Fundamentalproblem der Gesellschaft, die Arbeitslosigkeit, anpacken, sind besser als albern-unrealistische Steuersenkungsversprechen.
Kommentar von Heribert Prantl