Karl Nolle, MdL

Hamburger Abendblatt, 06.08.2009

Landtagswahlen : Drei Ministerpräsidenten und das rote Gespenst

Dieter Althaus, Stanislaw Tillich und Peter Müller fürchten sie den Machtverlust an Linkskoalitionen. Karsten Kammholz hat alle drei getroffen.
 

(...) Bei einem anderen wahlkämpfenden CDU-Ministerpräsidenten war die Hauptstadt vor ein paar Monaten ganz nah. Das Konrad-Adenauer-Haus fragte in der sächsischen Staatskanzlei in Dresden, ob die Kanzlerin helfen solle. Ministerpräsident Stanislaw Tillich lehnte ab. Er wollte allein die Debatte um seine Vergangenheit durchstehen. "Man muss auch mal einen Sturm aushalten", sagt er. Vielleicht hatte er sich da verschätzt. Der Wahlkämpfer Tillich hat es vor allem mit sich selbst und seiner eigenen Geschichte zu tun. Und seine Gegner wittern wieder Morgenluft. Als im November 2008 Details aus Tillichs DDR-Karriere als Mitglied der SED-treuen CDU publik wurden, war das die erste Bewährungsprobe für den seit einem halben Jahr amtierenden ersten ostdeutschen Regierungschef Sachsens. Es ging um einen Fragebogen, den Tillich 1999 vor seinem Amtsantritt ins Kabinett Biedenkopf ausgefüllt hatte. Bei der Frage nach herausgehobenen Funktionen in der DDR schrieb er: "Handel und Versorgung, Mitglied d. R. d. Kr." Das war formal richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. Er war sogar stellvertretender Vorsitzender des Rates im sächsischen Kreis Kamenz, zuständig für Handel und Versorgung - ein relativ hoher Posten. Tillich wird die Fragen um seine Vergangenheit auch in der heißen Wahlkampfphase nicht mehr los.

Sein monatelanges Taktieren und Zögern haben ihm geschadet. Der Ministerpräsident sitzt in einem Restaurant direkt neben der Nikolaikirche, dem Ort, an dem vor 20 Jahren die friedliche Revolution ihren Lauf nahm. Er würde gern mehr über die Wiedervereinigung und das Zusammenwachsen von Ost und West sprechen. Aber er muss einen Rechtfertigungskampf um die eigene Person führen, den er für unnötig hält. "Die SED hat damals die Politik in der SED-Diktatur bestimmt", sagt er genervt. Er sei als Ratsmitglied ein "Mangelverwalter" gewesen.

Eigentlich ist Tillich nach Leipzig gefahren, um für den Tourismusstandort zu werben. Er hat ein gutes Dutzend Stadtführer getroffen und Sehenswürdigkeiten besichtigt. Viele schöne Bilder des stets gebräunten Regierungschefs sind dabei entstanden. "Die Menschen in Sachsen sind durch meine Vergangenheit in der DDR nicht irritiert. Sie haben verstanden, dass es hier nicht um Aufklärung, sondern eine Kampagne geht", sagt er. Die Umfragen geben ihm derzeit recht. Im Moment käme die CDU auf 42 Prozent, die FDP auf elf - das würde zum Regieren reichen. Die Liberalen sind Tillich weitaus lieber als sein jetziger Koalitionspartner SPD. Aber mit den Sozialdemokraten würde er auch weitermachen, vielleicht auch auf die Grünen zugehen. Der Sohn eines leitenden SED-Funktionärs mit sorbischen Wurzeln sucht noch seine Rolle. Über seine frühere sagt er demütig und entwaffnend: "Ich war damals kein Held."

Sein Hauptgegner ist André Hahn, Fraktionschef und Spitzenkandidat der Linken. Er will Tillich ablösen und mit der SPD und den Grünen zusammen ein Linksbündnis eingehen. Aber die Linke, die 2004 noch als PDS 23,6 Prozent holte, steht derzeit nur bei 17 Prozent, die SPD bei 14, die Grünen bei sieben. Für ein Linksbündnis müssten alle drei noch zulegen. Hahn sagt: "Von Thüringen wird zurzeit eher eine rot-rote Regierung erwartet."  (…)

http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article1126891/Drei-Ministerpraesidenten-und-das-rote-Gespenst.html