Karl Nolle, MdL
Eulenspiegel 8/09, vom 30.07.09, Seite 14, 24.08.2009
Lebt eigentlich STANISLAW TILLICH noch?
Satirische Kolumne von Matti Friedrich
Ja, gerade noch so. Politisch schien er bereits mausetot zu sein. Auch biologisch ging es ihm schlecht. Er sah fast so fertig aus wie sein Thüringer Karrieristenkollege und Bruder im Geiste, Dieter Althaus.
Blass und fahrig sagte er nur noch Sätze wie: »Ich habe es satt, mir von Leuten aus dem Westen mein Leben erklären zu lassen« oder »Ob ich im Rat der Stadt Kamenz was mit meiner Sekretärin hatte, geht nur mich, meine Frau Veronika und die Genossen von der Stasi etwas an«. Kurz: Er war von der Rolle. Dabei wurde doch an ihm nur vollstreckt, was (Maul-) Helden in seiner Partei wie Pfarrer Eggert und Arnold Vaatz schon vielhundertmal an anderen verübt hatten - den Generalverdacht wegen unleugbarer ostdeutscher Abkunft.
Zuerst erregte Tillich die Gemüter, als sich herausstellte, dass er die ostdeutsche Karriereleiter mit Schwung und sportlichem Ehrgeiz genommen und keineswegs die DDR »in der kirchlichen Nische« verdämmert hatte. Als Blockflöte war er genau der opportunistische Quotenkader, den die SED brauchte, besuchte eifrig Funktionärsschulen, auf denen zwar oft die Frauen getauscht, Jedoch nie der Standpunkt gewechselt wurde, und war anschließend dem Volk von Kamenz dafür verantwortlich, dass immer Kartoffeln, Weißkohl und Braunkohle vorrätig waren.
Auch für etwas schmutzigere Arbeiten war er sich nicht zu fein. So wirkte er engagiert bei der Enteignung von Kamenzern mit, die sich in den Westen verabschiedet hatten und also - wie wir aber erst heute wissen - die besseren Ossis waren. Den rechten Schwung bekam seine Karriere jedoch erst mit den gefälschten Kommunalwahlen von 1989. Mit dieser Vorgeschichte . wäre er in Sachsen nach der Wende nicht einmal Pförtner geworden.
Warum soll sich so ein tatkräftiger Mensch nicht auch heute wieder um das Wohl der Bevölkerung kümmern, fragen sich die Sachsen. Und damit könnte die Geschichte an einem guten Ende sein. Wenn unser Stani nicht zu lügen, zu täuschen und zu tricksen angefangen, Dokumente unterdrückt, Maulkörbe erlassen hätte. Schritt- und scheibchenweise veröffentlichte er einen Fragebogen, kurz bevor Ihn ein Gericht dazu zwingen musste. Nun sieht es aus, als hätte er was zu verbergen.
Hat er aber gar nicht: Er gehört nur zu den Karrieristen jener Art, auf die kein System verzichten kann.
Es lebe Sachsen! Es lebe Kamenz! Es lebe Tillich! Hoch, hoch, hoch!