Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 03.09.2009

Der Mann, der Sachsens SPD retten soll

SPD-Fraktionschef Martin Dulig wird ab Herbst neuer Landespartei-Chef – und will die Partei erneuern. Er weiß, dafür braucht er einen langen Atem.
 

Die Erwartungen sind hoch. Martin Dulig weiß das. „Einer allein kann die SPD nicht retten“, ist er überzeugt. „Es gibt nicht den großen Retter, der innerhalb kürzester Zeit die SPD auf 30 Prozent und 20000 Mitglieder bringt.“ Zehn Jahre werde die Erneuerung der Partei schon in Anspruch nehmen, schätzt er vorsichtig.

Erst seit Montag, 14.30 Uhr, weiß Martin Dulig, dass er in wenigen Wochen nicht mehr nur die SPD-Landtagsfraktion, sondern auch die Landespartei führen wird. Kurz zuvor hatte ihm SPD-Landeschef Thomas Jurk seinen sofortigen Rücktritt mitgeteilt. Dann ging alles ganz schnell. So schnell, dass Martin Duligs Frau Susann die Nachricht zunächst aus dem Fernsehen erfuhr, dass ihr Mann gerade den nächsten Schritt auf der SPD-Karriereleiter geschafft hatte. Ob das nicht zu zeitig sei, habe sie besorgt nachgefragt. Doch da hatte Sachsens SPD schon Tatsachen geschaffen. Dulig ist nun der neue designierte Hoffnungsträger – jung, engagiert, offen, begeisterungsfähig. „Ich will viele mitnehmen“, wirbt er jetzt bereits um Unterstützung.

Parteikarriere im Eiltempo

Am 24. Oktober will Dulig sich zunächst auf einem Sonderparteitag in Dresden zur Wahl als neuer SPD-Landeschef stellen. Mit gerade mal 35 Jahren wäre er dann mit Abstand der mächtigste Mann bei Sachsens Sozialdemokraten – und zugleich der jüngste SPD-Landeschef in Deutschland. „Bei mir geht eben alles immer ein bisschen schneller“, scherzt Dulig über Dulig. Und das gilt nicht nur für seine steile Partei-Karriere, sondern auch für seine Familienplanung. Der 35-Jährige ist sechsfacher Vater, mit 18 bekam er ersten Nachwuchs. Seine Älteste studiert in Leipzig, um Grundschullehrerin zu werden.

„Ich bin jemand, der sich relativ schnell auf eine neue Situation einstellen kann“, sagt der gebürtige Plauener über sich selbst. 1992 trat er in die SPD ein und baute deren Jugendorganisation (Jusos) mit auf. Fünf Jahre lang, bis 2004, stand er an der Spitze der „Jugendbrigade“. Dann schaffte der gelernte Baufacharbeiter und Diplompädagoge den Sprung als Abgeordneter in den Landtag. Zunächst diente er dort Fraktionschef Cornelius Weiss als Parlamentarischer Geschäftsführer. Vor zwei Jahren wurde Dulig dann selbst Fraktionschef – mit damals 33 Jahren der jüngste in Deutschland. Er gilt als geschickter Strippenzieher. Fleißig, zielstrebig, mit ausgeprägtem politischen Instinkt – unerschrocken, nicht nur wenn es um den Kampf gegen Rechtsextremisten geht.

Wahnsinnig viel habe sich in der SPD in den vergangenen Jahren getan. „Bis 2004 wurden wir doch nur belächelt“, erinnert sich Dulig. Die fünfjährige Regierungsbeteiligung habe der SPD gutgetan, auch wenn sich das in ihrem Wahlergebnis – magere zehn Prozent – nicht wiederfinde. Doch nicht der Wahlkampf oder gar Einzelpersonen seien schuld an den wiederholt schlechten Ergebnissen. „Thomas Jurk ist zurückgetreten, weil er für sich eine ehrliche Antwort gebraucht hat.“

Dennoch: Inhaltlich müsse sich die SPD neu aufstellen, fordert Dulig. „Es ist ein großer Fehler gewesen, dass es bei uns keinen programmatischen Aufbruch gegeben hat.“ Wenn es ihn gegeben hat, dann sei er oft „zu kopflastig“ gewesen. Dann wurde etwas ins Programm gebracht, aber nicht diskutiert. Es habe kein Gefühl gegeben, etwas gemeinsam gemacht zu haben. Zu wenig konstruktiver Streit.

Linkspartei als Machtoption

„Wir sind zu sehr in unseren Nischen drin, aber nicht gesellschaftlich verankert“, kritisiert er das zu häufige Schmoren „seiner“ SPD im eigenen Saft. „Ich will eine moderne SPD haben, eine, die auf der Höhe der Zeit ist“, sagt Dulig. Und das klingt ein wenig blumig, fast schon nach Wahlkampf-Poesie. Dulig sieht ein grundsätzliches Problem in seiner Partei: Sie kenne nicht mehr das Lebensgefühl der Menschen. „Vom Hartz-IV-Empfänger, Freiberuflern, über Alleinerziehende – wir sind viel zu häufig gefangen in zu einfachen Weltbildern.“

Dass die Sachsen-SPD mit einem Ex-Juso-Chef nach links rücken wird – Dulig winkt ab. „Ich hatte schon immer ein Problem mit Schubladen. Wenn es darum geht, dass bestimmte Themen, die als links gelten, stärker und pointierter formuliert werden, ja, dann mache ich Linkspolitik.“ Soziale Gerechtigkeit, gleiche Bildungschancen für alle, meint er beispielsweise.

Und eine mögliche Koalition zwischen SPD und Linkspartei? „Wer meine Biografie kennt – ich bin kein großer Freund der Linkspartei“, sagt der engagierte evangelische Christ. Die sächsische Linke sei ohnehin „derzeit nicht regierungsfähig“. Doch Dulig sieht es auch pragmatisch: „Für mich gibt es eine Machtoption jenseits der Union. Wenn es die Mehrheitsverhältnisse zulassen, habe ich kein Problem damit.“

Er könne sich durchaus vorstellen, mal SPD-Spitzenkandidat zu werden, sagt Dulig auf Nachfrage selbstbewusst –wohl wissend, dass genau das in fünf Jahren der nächste Schritt sein wird, wenn er zuvor als Parteichef keine großen Fehler gemacht hat. Spätestens in zehn Jahren will er wieder Siege für die SPD einfahren. „Aber Sie kennen ja meinen Spruch: Bei mir geht alles immer ein bisschen schneller.“

Von Annette Binninger