Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 24.09.2009

Querschnitt-Politiker in Nöten

FDP-Chef Holger Zastrow weiter unentschlossen / Andreas Schmalfuss als Wirtschaftsminister im Gespräch
 
Dresden. Es war eine kuriose Sitzung gestern Mittag im Landtag. Im Raum 2 gleich neben dem Plenarsaal traf sich die neue, nun 14-köpfige FDP-Fraktion zu ihrer ersten Sitzung nach der Landtagswahl – und hatte gar nicht vor, etwas zu entscheiden. Während alle anderen fünf Fraktionen längst ihren Vorstand gekürt und alle Personalfragen abgearbeitet haben, genehmigten sich die Liberalen eine Denkpause. Die interne Lesart dabei lautet: Ja, wir haben uns konstituiert, alles weitere gibt’s am kommenden Montag.

Der Grund für das merkwürdige Verfahren hat einen Namen: Holger Zastrow, seines Zeichens FDP-Fraktionsvorsitzender und unumstrittener Chef der sächsischen Liberalen. Der hat den ersten Zugriff aufs Amt des Wirtschaftsministers im schwarz-gelben Kabinett – und zögert. „Ich mache mir jetzt erstmal in Ruhe Gedanken über die personelle Ausgestaltung“, sagte er gestern vor der Sitzung. Am Montag werde er dann mitteilen, was er zu tun gedenke.

Dabei ist Zastrows Alternative klar. Am liebsten bliebe der „Querschnitt-Politiker“ (Zastrow über Zastrow) das, was er ist: Fraktionsvorsitzender. Das hätte den Vorteil, dass er Chef seiner Agentur bleiben könnte und nicht befürchten müsste, vom Terminkalender der Ministerialbeamten erdrückt zu werden. Für diese Variante spricht viel, sie hat aber auch einen Nachteil. Damit müsste Zastrow das zentrale Amt des Wirtschaftsministers samt Vize-Ministerpräsidenten einem anderen FDP-Mann überlassen.

Das birgt ein Risiko und ist der heimliche Grund für Zastrows Nöte. Denn so riskiert er, dass der Neue im Wirtschaftsressort ein zweites Machtzentrum jenseits der FDP-Fraktion aufbaut, also jenseits des FDP-Chefs. Schon deshalb müsste Zastrow daran gelegen sein, dass – wenn er schon nicht selbst springt – zumindest einen Vertrauten dorthin beordert.

Im Gespräch hierfür sind einige, zeitweise auch Sven Morlok. Der ist immerhin wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, führt ein Unternehmen. Sein Nachteil: Er kommt aus Baden-Württemberg, und man hört es auch. Gehandelt wurde ebenso FDP-Generalsekretär Torsten Herbst, einer der engsten Vertrauten von Zastrow. Dass er Wirtschaftsminister wird, ist reichlich unwahrscheinlich. Denn der FDP-Chef braucht Herbst als Parteiarbeiter, der darauf achtet, dass sich die Liberalen nicht beim Mitregieren verbrauchen – und 2014 die Quittung vom Wähler bekommen.

Schon deshalb kursiert jetzt eine dritte Variante. Andreas Schmalfuß aus Zwickau könnte es machen. Der Abgeordnete ist Diplom-Kaufmann, Unternehmensberater und gilt als ehrgeizig. Und er hat ein Büro im selben Haus wie die Vereinigung der sächsischen Wirtschaft (VSW). Das ist keine Nebensächlichkeit. Denn in jedem Fall dürfte Zastrow den ihm nahe stehenden VSW einbinden. Und auch ein paar Namen fallen hier immer wieder: der von VSW-Geschäftsführer Hartmut Fiedler – und Sandra Jäschke, eine Vertraute von Herbst. Die ist derzeit für die Pressearbeit beim Verband zuständig und wird als mögliche stellvertretende Regierungssprecherin gehandelt.

Dazu passt, dass sich hartnäckig Gerüchte halten, der neue FDP-Wirtschaftsminister bekäme einen zweiten Staatssekretär. Gründe: Erstens ist das Ressort reichlich groß, und zweitens ließe sich ein FDP-Mann dort versenken, der in der Partei wenig beliebt ist – einen wie Dresdens Wirtschaftsbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) zum Beispiel. Der zweite Staatssekretär könnte seinem Minister dann als Amtschef den Rücken in einem Ressort freihalten, dass noch immer CDU-dominiert ist. Fiedler könnte er heißen, unter einem Minister Schmalfuß.
Jürgen Kochinke