Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 26.10.2009

Aufbruch im Gründerzeit-Ambiente

SPD-Parteitag wählt Martin Dulig zum neuen Landeschef / Unterstützung von Vorgänger Jurk
 
Dresden. Für eine Partei im Umbruch ist das Ambiente gut gewählt. Kein durchgestyltes neutrales Hotel, sondern eine umgebaute Dresdner Industriehalle mit Gründerzeitcharme. "Wegen Umbau geöffnet", heißt das doppeldeutige Motto des außerordentlichen SPD-Parteitags am Sonnabend. Nach der herben Schlappe zur Landtagswahl geht die Ex-Regierungspartei mit sich selbst ins Gericht. Der Absturz in die Opposition und der Rücktritt von Landeschef Thomas Jurk haben bei den Genossen tiefe Wunden hinterlassen. Mit einem neuen Vorsitzenden will die Partei zumindest wieder festen Boden unter die Füße bekommen. Zur Wahl bei den 124 Delegierten steht nur ein Kandidat: Martin Dulig, Fraktionschef, 35 Jahre alt. Der sechsfache Familienvater gilt trotz seiner Jugend als Hoffnungsträger.

Im Vorfeld des Parteitags stellte er sich auf Regionalkonferenzen den Fragen einer verunsicherten Basis. Nicht alle konnte er dabei restlos überzeugen. Wie der Leipziger SPD-Fraktionschef Axel Dyck hält mancher weiter eine "kritische Distanz" zu Dulig. Der Moritzburger macht aus der schwierigen Situation auch keinen Hehl. In seiner Rede wirbt er vor allem um das Vertrauen seiner Partei. Zunächst aber betreibt er eine schonungslose Bestandsaufnahme. Ja, man habe sich immer selbst etwas vorgemacht. Die Einführung von Hartz IV sei nicht die Ursache für den anhaltenden SPD-Tiefflug in Sachsen. "Wir lagen auch schon vor der Agenda 2010 unter zehn Prozent."

Dulig seziert mit deutlichen Worten den Ist-Zustand seiner SPD. "Als Nischenpartei stellt sich die Existenzfrage", sagt er mit Blick auf die jüngsten Wahlergebnisse und fordert deshalb, den Anspruch auf eine Volkspartei nicht aufzugeben. Dazu müsse man sich den historischen Partnern wie den Gewerkschaften wieder stärker zuwenden. Die Gretchenfrage über den SPD-Umgang mit den Linken sieht Dulig mit "kühlem Verstand" eher als eine Frage der Machtoption. Im Prinzip ja, "aber die sächsische SPD sollte stark in der Mitte verankert sein". Seinem Vorgänger Jurk dankt er ausdrücklich für dessen Arbeit. Der gibt den Dank später zurück. "Ich bin froh, dass Martin ja als Nachfolger gesagt hat. Ich traue ihm viel zu."

Eine Einschätzung, die nicht alle Delegierten teilen. Dulig erhält bei der Wahl 74,2 Prozent. "Ein ehrliches Ergebnis am unteren Ende des Korridors", sagt er und zeigt Sinn für ironische Untertöne. "Als Juso-Chef wäre ich damit zufrieden gewesen." Immerhin lässt die Abstimmung bis zum nächsten Parteitag im Juni 2010 Platz für Steigerungen. Dann will sich Dulig erneut als Vorsitzender und der komplette Parteivorstand zur Wahl stellen. Bis dahin, so verspricht der neue SPD-Chef, will er für eine Neuausrichtung kämpfen. "Die Ortsvereine sollen wieder zentrales Element werden." Als studierter Sozialpädagoge sehe er sich dabei in der Rolle des Moderators und nicht als Basta-Sager. Seiner Partei verordnet er trotzdem einen Kurs in Sachen Selbstbewusstsein. "Wir sollten uns nach außen wieder trauen, SPD zu sein." Für Leipzigs OBM-Burkhard Jung eine Erfolg versprechende Taktik. "Dulig steht für einen authentischen und ehrlichen Neubeginn", sagt er. Michael Lohse, Chef der IHK Südwestsachsen, sieht es als Gast ähnlich. "Eine derart offene und ehrliche Art wie die von Dulig habe ich bei anderen Parteitagen noch nicht erlebt."
André Böhmer