Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 16.12.2009

Atempause für Stanislaw Tillich und die Sachsen-CDU

Der Partei- und Regierungschef versucht, die Union auf harte Jahre einzuschwören.
 
Für ein paar Sekunden stockt einigen Delegierten der Atem. Gespannte Stille. Da steht Stanislaw Tillich vor einer riesigen Bühnenwand mit einem Schwarz-Weiß-Foto, das Demonstranten im Wende-Herbst auf Sachsens Straßen zeigt. „20 Jahre friedliche Revolution“ steht darauf, und darüber soll Tillich mit zwei Vertretern diskutieren, die damals mutig auf die Straße gingen. Er, der damals auf der anderen Seite stand, in seiner Funktion als Stellvertretender Ratsvorsitzender des Kreises Kamenz. Doch offiziell vorgestellt auf dem Parteitagspodium wird er so: Stanislaw Tillich, der bis 1989 als Diplomingenieur arbeitete. Es ist ganz still im Saal. Dann steigt der Murmel-Pegel schnell wieder an. Tapfer sitzen die Delegierten die holprige Diskussion auf dem Parteitagspodium einfach aus.
 
Nicht vergessen, aber wohl längst verziehen scheint dem Parteichef die monatelange Eierei um seine Biografie. Knapp sechs Wochen nach der Landtagswahl, in der Tillich die CDU zum Sieg und in eine lang ersehnte Koalition mit der FDP geführt hat, war dies auf dem Landesparteitag am Sonnabend in Chemnitz kein Thema mehr. „So stark, macht- und kraftvoll war die sächsische Union schon lange nicht mehr“, fasste Frontmann Tillich stolz die Etappenbilanz zusammen.

Doch nach dem harten Super-Wahljahr scheint auch in der Union erst einmal die Luft raus zu sein. Es scheint, als gönnte sich die Sachsen-CDU eine Atempause. Nichts zu spüren von Aufbruch, stattdessen nur eine personelle Neu-Aufstellung, allerdings ohne große Veränderungen. Tillich wird mit 94,2 Prozent als CDU-Landesvorsitzender im Amt bestätigt. Vor anderthalb Jahren hatte er noch mit knapp 98 Prozent das Erbe seines Amtsvorgängers Georg Milbradt angetreten. Fraktionschef Steffen Flath (92 Prozent) und der Görlitzer Landrat Bernd Lange (80 Prozent) bleiben seine Stellvertreter; die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz rückt auf in das Vize-Trio (85 Prozent). Und Generalsekretär Michael Kretschmer wird ebenfalls mit 82 Prozent bestätigt.

Keine inhaltliche Debatte

Außer mehreren Wahlgängen hatten die Delegierten in Chemnitz dann auch nicht viel mehr zu tun. Eine inhaltliche Debatte über die vor ihr liegenden schwierigeren Jahre blieb völlig aus. Ein in dieser Hinsicht etwas einsam wirkender Ministerpräsident versuchte dagegen, seine Partei auf die bevorstehenden harten Sparjahre einzuschwören. Erreichtes sichern, den Staat modernisieren und die Verwaltung effizient gestalten – das sind Tillichs Schwerpunkte.

Den Abbau von 18000 Landesstellen bis 2020 halte er für ein „realistisches Ziel“, bekräftigte er eine Forderung aus seiner Regierungserklärung, die seit Tagen für heftigen Wirbel sorgt – und die sogar seine Minister zuvor nicht kannten, wie man sich auf dem Parteitag hinter vorgehaltener Hand ärgerlich erzählte. „Sachsen wird ein sicheres Land bleiben“, sagte Tillich fast trotzig – aber nichts dazu, wie der Stellenabbau bei der Polizei denn nun vonstattengehen könnte. Sachsen werde schuldenfrei bleiben, versprach Tillich; und wiederholte, dass es in Berlin keine Steuersenkungen auf Pump geben dürfe. 2014 werde der zweite demografische Knick erfolgen, dann müssten auch Schulstrukturen erneut überprüft werden, so Tillich.

Hart ging Tillich dann mit der Partei, aber auch sich selbst ins Gericht. Eine halbe Million Wähler habe die CDU seit Anfang der 90er- Jahre verloren. Sie gelte es zurückzugewinnen. Die Partei müsse offener werden. Mancherorts habe sich die CDU „fast auf eine Funktionärspartei reduziert“. Kämpferischer müsse die CDU werden – und beispielsweise 2013 das Leipziger Rathaus erobern. Und vorsichtshalber nahm er einen möglichen weiteren Koalitionspartner in den Blick: Die Freien Wähler seien geradezu ein „natürlicher Partner“ der Union.
von Annette Bininger