Karl Nolle, MdL

www.dlf.de, 08.01.2010

Frühstart in den Wahlkampf - NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers will Hartz IV reformieren

Kommentar von Christoph Gehring, Landeskorrespondent NRW
 
Jürgen Rüttgers ist kein dummer Mann. Jürgen Rüttgers ist auch kein Populist, jedenfalls im politischen Alltag nicht. Aber mit dem politischen Alltag scheint es einstweilen für Jürgen Rüttgers vorbei zu sein.

Anfang Mai hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, der im Nebenjob stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU ist, eine Landtagswahl zu bestehen, die für ihn nach dem derzeitigen Stand der Umfragen noch längst nicht gewonnen ist. Deswegen ist es vermutlich kein Zufall, dass Jürgen Rüttgers sich wieder in der Rolle warmläuft, die ihm 2005 schon einmal zum Wahlsieg und zum Ministerpräsidentensessel in der Düsseldorfer Staatskanzlei verholfen hat - die des sozialen Kümmerers mit konservativen Grundwerten.

Als solcher stürzt er sich nun auf die Hartz-IV-Gesetzgebung. Denn was haben die meisten Menschen in Deutschland in den letzten Jahren als unsozial empfunden? Hartz IV. Der Sargnagel der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Schröder.

Jürgen Rüttgers fordert nun also nicht weniger als eine "Grundrevision" von Hartz IV. Damit es Alleinerziehenden und ihren Kindern besser geht, vor alle aber, damit Leistung sich wieder lohnt. Was der Ministerpräsident aus Düsseldorf damit meint, ist: Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I soll sich danach richten, wie lange jemand in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Wer lange geleistet hat, soll länger Leistungen bekommen, ehe er nach unten, in die Grundsicherung nach Hartz IV durchgereicht wird.

Das ist nicht nur populär, das ist fast schon populistisch. Denn es geht am Kern der Arbeitslosenversicherung vorbei. Die Arbeitslosenversicherung ist nämlich kein Sparvertrag, mit dem man ein Guthaben aufbaut, sondern eine Risikoabsicherung, die helfen soll, die Zeit zwischen zwei Jobs zu überbrücken. Das Problem ist nicht die Bezugsdauer, das Problem ist, dass es für zu viele Arbeitslose zu wenige Jobs gibt - in der Krise allzumal.

Ein kluger Mann wie Jürgen Rüttgers weiß das auch - aber es ist offensichtlich schon Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen.

Das muss man wohl auch berücksichtigen, wenn man sich anschaut, was dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten sonst noch zu der bestehenden Sozialgesetzgebung eingefallen ist: Eine Neuregelung bei der Berechnung der Hartz-IV-Sätze für Kinder fordert er - die wird zwangsläufig kommen, weil absehbar ist, dass das Bundesverfassungsgericht die derzeitige Berechnungsformel "Pi mal Daumen minus X" ohnehin kippen wird. Auch Verbesserungen für alleinerziehende Mütter wünscht sich Jürgen Rüttgers, und eine bessere Kinderbetreuung.

Damit hat Jürgen Rüttgers nun tatsächlich recht - gerade was die Kinderbetreuung angeht, hatte er als Ministerpräsident allerdings fünf Jahre Zeit, die Dinge zum Besseren zu wenden. Vieles an Hartz IV ist verbesserungsbedürftig und diskussionswürdig, keine Frage. Aber es ist fragwürdig, ob der Vorstoß von Jürgen Rüttgers mehr ist als eine Wahlkampfstrategie.