Karl Nolle, MdL

spiegel-online.de, 18.01.2010

Millionenspende an FDP - Westerwelle weist Vorwurf der Käuflichkeit zurück

Hubertus Heil, SPD: "ein Zeichen von moralischer Korruption und Klientelpolitik".
 
Politische Überzeugung oder Klientelpolitik? Die FDP-Spitze ist bemüht, die Vorwürfe gegen ihre Steuerpolitik als haltlos hinzustellen. Parteichef Westerwelle nannte den Zusammenhang zwischen Millionenspenden eines Hotelkonzerns und der jüngsten Mehrwertsteuersenkung für Übernachtungen absurd.

Berlin - Das Steuergeschenk an die Hoteliers, quasi die erste Amtshandlung der schwarz-gelben Koalition, hatte viele Ökonomen und Oppositionspolitiker verwundert und empört. Die jüngsten Enthüllungen im SPIEGEL über die Millionenspende eines Hotel-Unternehmers an die FDP riefen prompt die SPD auf den Plan, die den Liberalen Käuflichkeit vorwarf.

Außenminister Guido Westerwelle wehrt sich gegen den Verdacht: "Manche Vorwürfe der SPD sind so absurd, dass sie sich selbst richten", sagte der FDP-Vorsitzende am Vormittag in Berlin. "Wie groß muss die Verzweiflung der SPD sein, dass sie solche absurden Vorwürfe erhebt?"

Am Morgen hatte bereits FDP-Generalsekretär Christian Lindner in der ARD die Spende bestätigt. "Wir haben nach den Bestimmungen des Parteiengesetzes ja selbst diese Spende angezeigt. Und nein, wir sind nicht käuflich." Entscheidungen der FDP habe sie nicht beeinflusst. "Da ist nichts aufgedeckt worden, was den Charakter eines Skandals hätte."

Schon lange vor der Spende habe die FDP für den reduzierten Mehrwertsteuersatz im Hotelgewerbe geworben. Er sei notwendig, weil in der Branche Hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet seien, unter anderem durch die Konjunkturkrise. Lindner warf der SPD seinerseits vor, Spenden der Automobilindustrie angenommen und danach die Abwrackprämie eingeführt zu haben. Ähnlich argumentierte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger.

Zuvor hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel der schwarz-gelben Koalition Käuflichkeit vorgeworfen, weil sie nach der Spende die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent gesenkt hatte.

Bei ihrer Vorstandsklausur legten SPD-Spitzenpolitiker nach: "Wir wissen jetzt, was FDP-Chef Guido Westerwelle mit geistig-moralischer Wende meint, nämlich Politik für wenige zu Lasten von vielen", sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil weiter. Dies sei "ein Zeichen von moralischer Korruption und Klientelpolitik".

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit forderte die Liberalen auf, die Spende zurückzuzahlen. Der SPD-Vizechef wertete es als einen "großen Skandal", dass sich "die FDP hier hat bezahlen lassen für ein Gesetz, das keiner braucht, mit Steuerausfällen in gigantischer Größenordnung". Dieses Geld fehle jetzt für Investitionen für Bildung und andere Zukunftsbereiche. "Mit dieser einen Spende - vielleicht gibt es ja noch weitere, wer weiß - wird deutlich, was dahintersteckt", fügte Wowereit bei seiner Ankunft zur SPD-Klausur hinzu. "Es ist schon sehr zu fragen, ob da nicht Zusammenhänge zwischen politischen Entscheidungen und Spenden existieren", sagte auch SPD-Vize Olaf Scholz.

Die FDP sieht sich seit dem Wochenende mit Klientelvorwürfen konfrontiert. Nach SPIEGEL-Informationen hatte die Partei binnen eines Jahres 1,1 Millionen Euro von der Düsseldorfer Substantia AG erhalten. Die Summe ist eine der höchsten Parteispenden in der Geschichte der Freidemokraten und wurde in drei Teilspenden im Jahr 2009 überwiesen. Die SPD forderte eine Rückzahlung der Spende, weil sonst der Eindruck entstehe, mit dem Geld seien politische Entscheidungen beeinflusst worden.

Die Substantia AG gehört zum verzweigten Imperium eines der reichsten Deutschen, August Baron von Finck, 79. Seine Familie ist Haupteigentümer der Mövenpick-Gruppe, die in Deutschland 14 Hotels betreibt. In den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen hatte die FDP gemeinsam mit der CSU im Herbst 2009 auf eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Hotel-Übernachtungen von 19 auf 7 Prozent gedrungen. Der Steuernachlass, von der Opposition vehement als Klientelpolitik kritisiert, trat zum 1. Januar 2010 in Kraft.
ler/AFP/dpa/ddp