Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 30.01.2010

Die FDP in der Glaubwürdigkeitsfalle

 
Zu Wahlkampfzeiten hätten Sachsens Liberale ihre helle Freude gehabt – jeden Tag in den Schlagzeilen, schien damals die Devise zu sein. Das verhalf der FDP zu einem Platz am Regierungstisch. Doch nur knapp 120 Tage später bläst den einst so um ein flott-frisches Image bemühten Liberalen nicht nur ein raues Lüftchen entgegen, sondern gleich ein ganzes Sturmtief.

Seit Tagen liegen bei der FDP die Nerven blank. Dass der neuen schwarz-gelben Koalition nach der ungeschriebenen 100-Tage-Frist nicht gerade die Sympathie der neu sortierten Opposition entgegenfliegen würde, war klar. „Aber die Art und Weise der Auseinandersetzung ist für uns ein Tabubruch“, weist FDP-Generalsekretär Torsten Herbst die Angriffe zurück. „Alles eine Kampagne“, meint Herbst.

Dabei tappt die Sachsen-FDP nun auch in die Glaubwürdigkeitsfalle – wie auf Bundesebene längst geschehen. Versprochen, gebrochen, höhnt Sachsens Opposition. Dabei geht es nicht nur um die im Wahlkampf zugesagten, aber immer wieder infrage gestellten Steuersenkungen, sondern vor allem um Personalquerelen.

Jahrelang hatten die Liberalen gegen die frühere CDU/SPD-Koalition gewettert wegen eines zusätzlichen Landtagsvizepräsidenten für die SPD – sich nun aber selbst den Posten gegönnt. Der Stellenabbau könne gar nicht schnell genug gehen, hieß es stets – doch dann genehmigte sich die FDP einen 2002 abgeschafften zweiten Staatssekretärsposten im Wirtschaftsministerium. Der werde „unterm Strich den Steuerzahler nicht mehr kosten“, hält Herbst dagegen. Es werde insgesamt durch Stellenabbau gespart.

„SPD rückte mit Minibus an“

Die SPD habe doch Ende 2004 bei ihrem Eintritt in die Koalition mit der CDU etliche Stellen in der Führung des Wirtschaftsministeriums neu geschaffen und nach Parteibuch besetzt, so Herbst. „Die SPD ist damals dort mit dem Minibus angerückt, aber das hat niemand kritisiert.“ Dafür sorgten die Liberalen nun mit ihrer Landtagsabgeordneten Isabel Siebert, die nach ihrer Mandatsaufgabe auf einen hochbezahlten Sprecherposten gelangte, erneut für Schlagzeilen. Und das geräuschlose Durchwinken der Diätenerhöhung entgegen früherer liberaler Überzeugung war sogar manchem FDP-Politiker peinlich.

Auch Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Sven Morlok gerät zunehmend in die Kritik. Sein ungeschickter Schnellschuss beim Kombilohnstopp kam nicht nur bei Kommunen, Verbänden, sondern auch bei CDU-Politikern schlecht an. Der Minister bereite sich inhaltlich nicht ausreichend vor, heißt es zudem. Einige Liberale sind ohnehin noch über die (Zweit-)Besetzung mit dem Leipziger Bauunternehmer unglücklich. Viele hätten dort lieber Landeschef Holger Zastrow gesehen. Doch der zog seine PR-Agentur dem Ministerstuhl vor. In dieser Krisenwoche schwieg Zastrow ganz – allerdings gezwungenermaßen, denn er ist wegen eines kleinen operativen Routine-Eingriffs kurzfristig außer Gefecht.

So läuft nur im Justizministerium unter Jürgen Martens (FDP) die Arbeit derzeit geräuschlos, der Rest der schwarz-gelben Regierungsarbeit dafür hinter verschlossenen Türen. „Wir werden am Ende an unseren Ergebnissen gemessen“, sagt Torsten Herbst fast trotzig.
Von Annette Binninger