Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 24.02.2010
Sachsen muss noch 40 Jahre ums Geld zittern
Die frühere Landesbank hat für viele Milliarden Kredite aufgekauft. Wer wann wie viel zurückzahlt, bleibt noch Jahre unklar.
Mit US-Studenten haben die Sachsen in der Regel nicht viel am Hut – mit einer, allerdings wesentlichen, Ausnahme: Die Bürger des Freistaats finanzieren indirekt Tausenden von ihnen das Studium. 208 Millionen Euro hat der sächsische Steuerzahler in die Ausbildung des US-amerikanischen Nachwuchses gesteckt.
Sachsens Bürger haben natürlich das Geld nicht einfach rübergereicht. Das machte für sie die inzwischen nach Baden-Württemberg verkaufte Landesbank Sachsen (Sachsen-LB). Sie erwarb zwischen 2001 und 2006 Kredite aus aller Welt, die gebündelt und in Wertpapiere umgewandelt wurden, besichert mit den Forderungen, die hinter den Krediten stehen – zum Beispiel von US-Banken Studentenkreditforderungen.
Ein Goldesel, der verhungerte
Das Geschäft lohnte sich durchaus, zumindest für einige Jahre: Wer anderen Banken Kredite abkaufte, kassierte dafür satte Prämien und Zinsen – solange die Kredite bedient wurden. Auch Politiker der Staatsregierung feierten seinerzeit die Sachsen-LB für die so erzielten Gewinne; die Risiken blendeten sie aus. Mit dem Ausbruch der Immobilienkrise in den USA vor gut zwei Jahren aber verhungerte der Goldesel. Ein Großteil der „forderungsbesicherten Wertpapiere“ hat dramatisch an Wert verloren, weil die dahinter stehenden Kreditnehmer nicht mehr zahlen (können). Kauf und Verkauf mit diesen Papieren liegen brach. Investoren, die jetzt noch solche Papiere haben, zittern um die Tilgung der Kredite.
Einer der größten Zitterer ist Sachsen. Ende Januar dieses Jahres umfasste der Nominalwert aller verbrieften Wertpapiere aus dem Hause Sachsen-LB 13,25 Milliarden Euro. Dahinter stecken mehrere zehntausend Kreditnehmer, vor allem aber aus den USA: Autokäufer, Hausbauer, Firmen, Kreditkarteninhaber, Konsumenten, Geschäftshausbesitzer – und eben US-Studenten. Ihre Kredite laufen teilweise bis über das Jahr 2050 hinaus.
Sachsen weiß, dass nicht alles zurückgezahlt wird. Das Land hat deshalb beim Verkauf der Landesbank eine Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro für den Ausfall von Forderungen übernommen, mit denen diese Wertpapiere besichert sind. Bislang verlief die Sache glimpflich. Im vorigen Jahr sprang der hiesige Steuerzahler lediglich mit 8,1 Millionen Euro ein. In diesem Jahr rechnet das Finanzministerium schon mit einem Ausfall „in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags“. Nach SZ-Informationen liegt der zwischen 180 und 250 Millionen Euro. Die Landesbank Baden-Württemberg als Käufer der Sachsen-LB bürgt mit weiteren sechs Milliarden Euro. Für den Rest kommt die Sparkassen-Organisation auf.
Prognosen, die keine sind
In welchem Umfang diese drei Bürgschaften belastet werden, lässt sich nicht vorhersagen. Keiner weiß, welche Kreditforderungen beglichen werden und welche ausfallen. Fest steht nur, dass beispielsweise die US-Studenten das erste Drittel der 208-Millionen-Euro-Forderung juristisch bis 2023 zurückgezahlt haben müssen. Sie könnten aber auch vorher tilgen – oder eben gar nicht. Dann müsste zunächst Sachsen den Zahlungsausfall ausgleichen. Der größte Risikobrocken steckt in Papieren, die mit Hypotheken von amerikanischen und britischen Häuslebauern besichert sind. Diese als „Residential Mortgage Backed Securities“ bezeichneten Papiere umfassen 8,5 Milliarden Euro – mehr als die Hälfte muss erst 2035 und 2036 zurückgezahlt sein. Sachsens amtierender Finanzminister Georg Unland (CDU) wäre dann 82Jahre alt.
Dass die Zahlen über die als „Giftpapiere“ titulierten Finanzprodukte überhaupt öffentlich wurden, ist der Fraktionschefin der Grünen im Landtag zu verdanken. Antje Hermenau hatte auf die Herausgabe der Daten geklagt. Erst nach einer zweijährigen Verfahrensdauer bekam sie vom Sächsischen Verfassungsgerichtshof recht.
Von Ulrich Wolf