Karl Nolle, MdL

spiegel-online.de, 27.02.2010

Verweigerte Einbürgerung

Zu links für Deutschland
 
Sie ist gebildet, gesellschaftlich integriert und politisch engagiert. Aber Jannine Menger-Hamilton bekommt keinen deutschen Pass. Der Verfassungsschutz erhebt Einwände gegen die Einbürgerung - weil sie Mitglied in der Linkspartei ist. Aber das ist nicht das einzige Hindernis.

Hamburg - Zuerst machte Jannine Menger-Hamilton noch Witze. Über den Verfassungsschutz, der sie wahrscheinlich im Visier hat, weil sie in der Linkspartei ist. Dass deshalb ihr Einbürgerungsantrag seit Herbst 2007 auf Eis liegt. Inzwischen lacht die 31-Jährige nicht mehr darüber. Heute glaubt sie, dass es nicht nur der Verfassungsschutz in Niedersachsen ist, der ihr die deutsche Staatsangehörigkeit verweigern will.

Normalerweise dauert das Einbürgerungsverfahren etwa sechs Monate. Eigentlich müsste Deutschland Menger-Hamilton mit offenen Armen aufnehmen: Die Tochter eines Briten und einer Italienerin ist in Niedersachsen aufgewachsen. Sie spricht perfekt Deutsch, hat Abitur, Germanistik und Religionswissenschaften studiert und ist politisch engagiert.

Erst war sie in der SPD, wurde sogar zur Juso-Chefin in Niedersachsen gewählt. Im Juni 2007 trat sie der Linkspartei bei. Und damit ist sie in Niedersachsen offenbar nicht erwünscht. Dort beobachtet der Verfassungsschutz die Linke.

Menger-Hamiltons Fall wird vom Amt für öffentliche Sicherheit der Region Hannover betreut. Dort habe sie erfahren, dass der Verfassungsschutz Bedenken gegen ihre Einbürgerung habe und an ihrer Verfassungstreue zweifle. "Ich bin noch nie straffällig geworden", sagt sie. Ein persönliches Gespräch gab es nicht. Schriftlich sei aber erläutert worden, warum Ziele der Linkspartei nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar seien. "Es ist eine politische Entscheidung, die nichts mit meiner Person zu tun hat", sagt die 31-Jährige. "Der einzige Grund ist meine Zugehörigkeit zur Partei."

Sie habe Einsicht in ihre Einbürgerungsakte erhalten und diese durchforscht, berichtet Menger-Hamilton. Und dabei Hinweise gefunden, dass sich neben dem Verfassungsschutz auch das Innenministerium unter CDU-Minister Uwe Schünemann in ihren Fall eingeschaltet hat. Als Beleg verweist Menger-Hamiltons Anwalt auf einen handschriftlichen Vermerk auf einem Schreiben von 2008: "(…) im Hause MI und mit der Hausleitung abgestimmt", zitiert er die Notiz. Für Anwalt Johannes Eisenberg der Beleg, dass sich die Chefetage im Ministerium des Inneren (MI) in den Fall eingeschaltet hat.

Der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums erklärte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, über eine Einflussnahme des Ministers in diesem Fall sei ihm "nichts bekannt". Schünemann sei "durch den Verfassungsschutzpräsidenten über Regelanfragen und Einbürgerungsfälle allgemein und in diesem Zusammenhang auch über den Verfahrensstand im Fall Hamilton informiert" worden.

Verfassungsschutz hat auch bei SDAJ Bedenken

Für Aufregung sorgt in Niedersachsen auch der Fall Aram A. Der 20-Jährige gebürtige Syrer stellte im Mai 2008 einen Einbürgerungsantrag. Er werde wohl abgelehnt, teilte ihm das Amt für öffentliche Sicherheit der Region Hannover mit.

Der Verfassungsschutz hat Bedenken, denn Aram A. ist im Bundesvorstand der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) aktiv. Diese hat bundesweit etwa 400 Mitglieder. Sie fordern unter anderem die "Vergesellschaftung von bestimmten Wirtschaftsbereichen". Aram A. ist über Demos gegen den Irak-Krieg zur SDAJ gestoßen.

Diese habe sich "die Überwindung der bestehenden Ordnung zum Ziel gesetzt", schrieb die Behörde. Es gebe keine "Gründe für ein öffentliches Interesse" an der Einbürgerung von Aram A. "Ich habe noch nie etwas Gesetzeswidriges gemacht", sagt auch er.

Mit seinen Eltern kam er 2000 als Elfjähriger nach Deutschland. Sein Vater wurde bereits eingebürgert. "Ich habe mich immer als Teil dieser Gesellschaft verstanden", sagt Aram A. Er war Schulsprecher, hat Abitur gemacht und will studieren.

Zurzeit macht er ein Freiwilliges Soziales Jahr. Seine Betreuerin dort unterstützt seine Einbürgerung und schrieb den Behörden, Aram A. sei "sehr aufgeschlossen und gut integriert. Er vertritt aktiv seine Meinung, hört genau zu und lässt Meinungen anderer bestehen." Sollte er wirklich einen Ablehnungsbescheid bekommen, werde er klagen, sagt Aram A.

Linke will nach weiteren Fällen forschen

Auch Jannine Menger-Hamilton will weiter kämpfen. Inzwischen arbeitet sie als Pressesprecherin der Linksfraktion im schleswig-holsteinischen Landtag. Bis Ende März will ihr Anwalt von der Einbürgerungsbehörde in der Region Hannover einen eindeutigen Bescheid. Andernfalls will er eine Untätigkeitsklage einreichen. Bis dahin solle aber eine Entscheidung gefallen sein, kündigte eine Behördensprecherin auf SPIEGEL ONLINE an.

"Der Skandal ist, dass mit Einbürgerungsrecht Politik gemacht wird", sagt der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte. Zwar sind Linken-Landesverbänden bisher keine weiteren Fälle bekannt, in denen Menschen wegen ihrer Parteimitgliedschaft die Einbürgerung verweigert wird. Doch Korte kündigte Anfragen bei Ministerien und Behörden an, um herauszufinden, "ob dieses Verfahren gegen Mitglieder von Oppositionsparteien System hat".
Von Maria Marquart