Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 17.03.2010

Liberales Eigentor

Die umstrittene Besetzung des Sprecherpostens im Wirtschaftsministerium hat nun doch ein juristisches Nachspiel.
 
Die Staatsanwaltschaft Dresden will die Anstellung der ehemaligen FDP-Landtagsabgeordneten Isabel Siebert als Pressesprecherin genauer unter die Lupe nehmen und prüfen, ob sie rechtmäßig erfolgte.

Pikant daran: Den Anstoß dazu gab ausgerechnet eine andere FDP-Frau – Ingrid Alice Mayer, selbst in der sächsischen Verwaltung tätig und amtierende Vorsitzende der Liberalen Frauen Sachsen. Die Juristin hatte sich bereits Anfang März diskret an die Staatsanwaltschaft gewandt. „Frau Mayer hat uns den Sachverhalt zur Kenntnis gebracht und eine rechtliche Überprüfung beantragt“, sagte Oberstaatsanwalt Christian Avenarius gestern auf SZ-Anfrage. Wie lange die Prüfung dauern werde, lasse sich derzeit nicht abschätzen.

Mayer hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach den Zorn ihrer Partei zugezogen, zuletzt Anfang März, als sie in einem Zeitungsinterview die FDP-Spitze öffentlich rügte: zu wenige Frauen in Spitzenämtern, kaum Mandatsträgerinnen. Und dann die Personalie Siebert: Ihr erst im Herbst errungenes Landtagsmandat für die Leipziger FDP hatte sie wenige Tage nach ihrer Wahl „eingetauscht“ gegen einen hoch dotierten, lebenslangen Posten im öffentlichen Dienst. „Es kann sein, dass nichts dran ist, aber ich möchte, dass das Ganze transparent gemacht wird“, fordert Mayer.

Bereits im November hatte sie ihren liberalen Parteifreund angeschrieben, Justizminister Jürgen Martens. Mayer fragte, ob dem Mandatsverzicht von Siebert ein Handel zugrunde gelegen haben könnte – also Mandat gegen Ministeriumsjob. „Das könnte möglicherweise einen Einfluss auf ein Verfassungsorgan darstellen“, so Mayer. Der Straftatbestand der Untreue könnte erfüllt sein, da für einen Referatsleiterposten wie im Fall Siebert üblicherweise ein abgeschlossenes Studium vorausgesetzt wird – in diesem Falle aber nicht vorliegt. Zudem war nach Sieberts Mandatsverzicht mit Carsten Biesok ein Rechtsanwalt nachgerückt –und damit ein Jurist, den sich die FDP-Fraktion nach Martens’ Wechsel ins Justizministerium gewünscht hatte. „Ich bitte Sie freundlichst um Überprüfung, ob die aufgeworfenen rechtlichen Bedenken richtig sind“, beendete Mayer damals ihr Schreiben. Sie habe damit gerechnet, dass Martens dies an die Staatsanwaltschaft weiterleite. Doch Martens antwortete nach Prüfung durch eine Abteilung knapp, er teile die rechtlichen Bedenken nicht. Da es sich ausdrücklich nicht um eine Strafanzeige handelte, sei der Brief auch nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden, erklärte Ministeriumssprecher Till Pietzcker gestern.

Mayer wehrt sich

Parteiintern reagierte FDP-Landesvize Martens heftiger: Bereits Anfang Februar beantragte er beim FDP-Landesvorstand ein Parteiausschlussverfahren gegen Mayer ausdrücklich nur mit Hinweis auf ihr Zeitungsinterview. „Parteischädigendes Verhalten und gezielte Rufschädigung“ werden ihr vorgeworfen. Mayer kritisiert das als „völlig überzogen und unverhältnismäßig“. „Ich lasse mir freie Meinungsäußerung nicht verbieten. Gerade als Liberale nicht.“
von Annette Binninger