Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 03.04.2010
Sachsensumpf“-Bericht vor Gericht
Von Karin Schlottmann
„Ingo war kein feiner Mann. Ganz sicher keiner, um den sich Frauen gewöhnlich stritten. Er hatte wenig Ähnlichkeit mit Adonis, war nicht sonderlich freundlich und neigte zu Grobheiten. Interessiert war er eigentlich nur an einem: hartem Sex mit blutjungen Frauen.“ Mit diesen Zeilen begann im Januar 2008 eine Geschichte des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, die, so versprachen die Autoren, Bewegung in den sächsischen Korruptionsskandal bringen sollte.
„Ingo“ sei Richter am Landgericht Leipzig, schrieb das Autorenteam weiter unter Verweis auf ehemalige Prostituierte des Wohnungsbordells „Jasmin“ in Leipzig. Wahr ist, dass die Frauen zuvor bei der Staatsanwaltschaft ausgesagt und dabei auch Justizangehörige schwer belastet hatten.
Aber die Zitate sind laut Staatsanwaltschaft falsch und ehrverletzend. Der inzwischen pensionierte Richter stellte Strafantrag, die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen übler Nachrede und Verleumdung. Seit Donnerstag müssen sich zwei der drei Verfasser vor dem Amtsgericht Dresden verantworten. Das Verfahren gegen den Dritten im Team, den „Spiegel“-Korrespondenten in Dresden, war eingestellt worden, nachdem das Magazin eine Korrektur veröffentlicht und eine Geldauflage von mehreren Tausend Euro akzeptiert hatte.
Vom Text distanziert
Die beiden Angeklagten dagegen sind freie Journalisten aus Leipzig, die anders als ihr Kollege öffentlich zur Rechenschaft gezogen werden und mit empfindlichen Geldstrafen rechnen müssen. In schriftlichen Erklärungen ihrer Verteidiger distanzierten sich beide erstmals von den Textpassagen im „Spiegel“. Weder stamme dieser Text von ihm noch habe er ihn gebilligt, gab Arndt Ginzel zu Protokoll. „Es handelt sich dabei um eine nicht von meinem Kollegen Datt und mir legitimierte Fassung.“ Thomas Datt, der zweite Angeklagte, ließ ebenfalls erklären, der Bericht sei ohne seine Mitwirkung verfasst worden. Fragen beantworteten sie nicht.
Die Zeugin der Anklage, eine der ehemaligen Prostituierten, gab sich ebenfalls wortkarg. Sie wäre bereit, auszusagen, aber leider müsse sie damit rechnen, strafrechtlich verfolgt zu werden, wenn sie das tue, sagte sie. Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft bereits Anklage gegen sie und eine weitere Ex-Prostituierte erhoben. Die Anklagebehörde glaubt ihnen nicht, dass ein Richter und ein Staatsanwalt vor mehr als 15 Jahren ihre Freier waren – der Kernvorwurf in der „Sachsensumpf“-Affäre“. Der Leitende Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer sagte am Donnerstag, die Aussagen der Frauen seien voller Widersprüche und deshalb unglaubwürdig. Weder hätten die anderen Jugendlichen im „Jasmin“ die Besuche von Justizangehörigen bestätigt noch sei es erklärlich, warum sie ihre Anschuldigungen erst nach so vielen Jahren erhoben hätten.
Vermummte Zeugin
Die Zeugin lebt inzwischen in Westdeutschland. Sie erschien mit ihrem Anwalt und zwei mutmaßlichen Personenschützern. Die junge Frau genieße Zeugenschutz, hieß es am Rande des Prozesses. Mit großer, schwarzer Sonnenbrille, Hut und verdecktem Gesicht betrat sie den Gerichtssaal, verweigerte die Aussage und durfte wieder gehen.
Die beiden Nebenkläger Jürgen Niemeyer und Günther Schnaars verfolgten das Prozessgeschehen einigermaßen fassungslos. Niemeyer ist der angebliche „Ingo“, Schnaars pensionierter Richter am Oberlandesgericht und als angeblicher Geschäftsfreund des „Jasmin“-Betreibers laut „Spiegel“ durch eine Zeugin erkannt worden. Die Staatsanwaltschaft hat die Vorwürfe lange untersucht und festgestellt, dass die Rotlichtkontakte der Juristen frei erfunden waren. Wiedergutmachung ist fraglich: Bis heute sind die falschen Anschuldigungen im Internet nachlesbar.