Karl Nolle, MdL

DNN/LVZ, 14.06.2010

Verlierer FDP sieht Schuld in Berlin

LVZ-Umfrage: CDU bleibt stärkste Kraft in Sachsen / Grüne wollen neue Koalitionsmöglichkeiten klären
 
Leipzig/Dresden. Die CDU ist mit 40 Prozent nach wie vor die mit Abstand stärkste Partei in Sachsen. Und sie verdankt ihr Ergebnis mehr den Frauen als den Männern. Auch Grüne und Linke haben unter den Wählerinnen mehr Anhänger als unter den Wählern. Dafür ziehen Liberale und noch mehr die rechtsextreme NPD vor allem die männliche Wählerschaft an. Bei der SPD halten sich beide Geschlechter die Waage.

Dies gehört zu den interessanten Ergebnissen einer aktuellen Sachsen-Umfrage dieser Zeitung. Dafür befragte das Leipziger Institut für Marktforschung im Juni telefonisch 802 repräsentativ ausgewählte Erwachsene aus dem gesamten Freistaat.

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Auffällig ist, dass die klassische Anhängerschaft der Sozialdemokraten, wie Arbeiter, Arbeitslose und auch Rentner, deutlich stärker für die CDU votiert als für die SPD. So wählen nach der Umfrage 35 Prozent der sächsischen Arbeiter CDU, 18 Prozent SPD, und 13 Prozent Linke. Bedenklich sollte die etablierten Parteien stimmen, dass immerhin 27 Prozent der Arbeiter, so viele wie in keiner anderen sozialen Gruppe, für die NPD stimmen würden. Mehr als jeder vierte Arbeiter im Freistaat fühlt sich also von keiner anderen politischen Kraft hinreichend repräsentiert. Von den Arbeitslosen würde jeweils etwa ein Drittel CDU oder Linke wählen und nur ein Sechstel die SPD.

Während die Union ihre Wähler etwa gleich verteilt in allen Altersgruppen findet, entscheiden sich deutlich mehr Ältere als Jüngere für SPD und Linke. Umgekehrt setzen prozentual mehr junge Leute als Ältere ihr Kreuz bei Grünen und Liberalen.
Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer kommentierte die Umfrage optimistisch: "Das ist sicher auch ein Ergebnis der guten Zusammenarbeit der Landtagsfraktionen, die sich nicht zerstreiten, sondern Themen anpacken, die aus Sicht der Wähler notwendig sind." Ganz offensichtlich vertrauten die Leute in schweren Zeiten der Union. Zu möglichen Zahlenspielen von schwarz-grünen oder schwarz-roten Koalitionen konstatierte der Generalsekretär: "Wahlen werden erst am Wahlabend gewonnen. Wir wollen mit der FDP regieren, weil dort die Schnittmengen bei den politischen Themen am größten sind." Die schlechten Werte der NPD nannte Kretschmer das "vielleicht Schönste der Umfrage". Das sei letztendlich "Ergebnis von eigenem Tun". "Die NPD hat nichts ausgelassen, um sich in der Öffentlichkeit zu blamieren. Für das Image des Bundeslandes wäre es gut, wenn die Partei bei den nächsten Wahlen aus dem Landtag ausscheiden würde."

Die Liberalen büßten in Sachsen ebenso wie auf Bundesebene Stimmen ein. Dazu räumte FDP-Generalsekretär Torsten Herbst ein, dass die Berliner Koalitionsreibereien auch auf Sachsen durchschlagen. "Natürlich spielt das Umfeld mit rein, und das ist alles andere als günstig." Dennoch sei die Umfrage nur eine Momentaufnahme. Die Koalition in Dresden sei auch nicht mit Berlin vergleichbar: "Wir arbeiten weitaus reibungsloser zusammen. Das sieht man schon allein bei der Haushaltsplanung, die für Sachsen auch künftig Spielräume lässt und den Anspruch der Generationengerechtigkeit erfüllt."

Antje Hermenau, Fraktionschefin der Grünen, die ihren Stimmenanteil erheblich verbesserten, wertet die Umfragezahlen als "ehrlich und gerecht." Dass Schwarz-Grün mit zusammen 52 Prozent eine komfortable Mehrheit hätte, ist für Hermenau noch kein Grund für Gedankenspiele. "Rechnerische Möglichkeiten bedeuten keinen Automatismus. Wir stehen nicht zur Verfügung, um eine festgefahrene Politik der Verdrängung zu verlängern." Gleichwohl gebe es bei den sächsischen Grünen Diskussionen über eine künftige inhaltliche Ausrichtung. "Es gibt bei uns Vorbehalte gegen die CDU, aber auch gegen Rot-Rot-Grün." Bis zum Parteitag im Herbst wollen die Grünen jetzt klären, welche Anforderungen sie für eine mögliche Regierungsbeteiligung stellen.

Rico Gebhardt, der Chef der sächsischen Linken, die ihr Landtagswahl-Ergebnis von 2009 weder verbessert noch verschlechtert haben, sagte, die Resultate widerspiegelten den Bundestrend. "Für die Linke ist alles im grünen Bereich", konstatierte Gebhardt. Die Halbierung der NPD-Werte zeige den Abwärtstrend der Rechtsextremisten. Gebhardt: "Ich gebe aber bei Umfragen nicht allzu viel drauf. Ich denke vielmehr, dass bei Wahlen auch die NPD über die fünf Prozent käme und wieder im Landtag vertreten wäre."

Sachsens SPD-Generalsekretär Dirk Panter kommentiert die Umfrage gewohnt prononciert: "Die Zahlen zeigen, dass die Traumpartner CDU und FDP dringend einen Eheberater brauchen. Wahrscheinlich sind die Eheberater aber momentan knapp - weil die alle schon in Berlin bei der Bundesregierung sind." Die Menschen würden jetzt spüren, was sie an der SPD hatten und haben - "schade nur, dass es ein halbes Jahr nach der Landtagswahl ist". Die positiven Werte für die Sozialdemokraten lassen die Partei allerdings nicht euphorisch werden. "Als SPD müssen wir vorsichtig sein. Wir brauchen eigene Positionen und Ziele, die erkennbar sind. Ich glaube auch nicht an den Fahrstuhleffekt: Dass es mit uns nach oben geht, sobald es für Schwarz-Gelb schlecht steht", so Panter. Und zur NPD: "Es ist natürlich gut, dass die Umfragewerte immer niedriger werden. Doch jede Stimme für die NPD ist eine zu viel."
von Anita Kecke, Olaf Majer,Roland Herold, Andreas Debski