Karl Nolle, MdL

Sächsische Zeitung, 16.10.2010

Schwaben klagen Landesbank-Millionen ein

Der Freistaat steht für Wert-Ausfälle von bis zu 2,75 Milliarden in den nächsten Jahren gerade. Sämtliche „Giftpapiere“ der ehemaligen Landesbank wurden damals in die Zweckgesellschaft „Sealink“ in Dublin gepackt.
 
Monat für Monat rinnen die Millionen-Verluste der ehemaligen Landesbank Sachsen wie Sand durch eine Sanduhr. Knapp 73 Millionen Euro hat der Freistaat bisher bezahlt. Doch jetzt droht neues Ungemach: Hinter den Kulissen gibt es heftigen Streit zwischen Sachsen und Schwaben.

Die neue Eigentümerin der Landesbank, die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) drängt auf einen schnelleren und höheren Geldfluss aus Sachsen, das insgesamt für Ausfälle bis zu 2,75 Milliarden Euro bürgt. Nach SZ-Recherchen hat die LBBW darum bereits im Februar Klage beim Landgericht Frankfurt am Main eingereicht (Aktenzeichen: 2–120 153/10). Das bestätigte gestern ein Sprecher des Gerichts.

Im Kern geht es nach SZ-Informationen zunächst zwar nur um eine Forderung von acht Millionen Euro. Doch in Sachsen befürchtet man bereits, dass die Klage möglicherweise nur ein erster Vorstoß sein könnte – von einer Art „Musterklage“ ist die Rede. Die Baden-Württemberger könnten damit austesten, ob sie auch in anderen Fällen eine vorzeitige Zahlung aus dem sächsischen Garantiefonds erhalten könnten. Damit würde Sachsen sehr viel schneller an die Höchstgarantiesumme herankommen. Im Sommer 2007 war Sachsens einst so stolze Landesbank ins Trudeln geraten. Bis Jahresende war sie in einer dramatischen Aktion an die Landesbank Baden-Württemberg verkauft worden. Ein Deal, der den Freistaat zwar von einer drohenden zweistelligen Milliarden-Last befreite, ihm zugleich aber eine einstellige Milliarden-„Hypothek“ aufbürdete: Der Freistaat steht für Wert-Ausfälle von bis zu 2,75 Milliarden in den nächsten Jahren gerade. Sämtliche „Giftpapiere“ der ehemaligen Landesbank wurden damals in die Zweckgesellschaft „Sealink“ in Dublin gepackt.

Fälligkeit ist umstritten

Zu einer „bestimmten Fallgruppe“ von „Sealink“ gebe es „unterschiedliche Ansichten“ zwischen der LBBW und dem Freistaat, bestätigte Stephan Gößl, Sprecher des sächsischen Finanzministeriums. „Der Freistaat ist an einer besonders schonenden Inanspruchnahme der Garantie interessiert“, so Gößl, „die LBBW möchte die Garantie-Inanspruchnahme zur Rückführung ihrer Darlehen möglichst optimieren.“ Die Stuttgarter ärgere die „scheibchenweisen“ Ausfall-Zahlungen aus Sachsen, ist aus anderen Quellen zu hören. Sachsen bemüht sich, die Zahlungen möglichst zu strecken – und so das Landesbank-Desaster über mehr Jahre zu verteilen und so besser abzufedern.

Kernpunkt des Streits ist die Bewertung, wann ein hochspekulatives Papier der Ex-Landesbank ausgefallen ist. „Es geht um eine Definitionsfrage, ab wann eine Zahlung fällig wird“, sagte LBBW-Sprecher Alexander Braun auf SZ-Anfrage. Die Höchstbetragsgarantie sei aber nicht strittig.

Die beiden Streitparteien bemühen sich, den Konflikt herunterzuspielen. Man sei „einvernehmlich vor Gericht“ gegangen“, heißt es aus dem sächsischen Finanzministerium. Eine Klärung vor Gericht sei im Sinne beider Seiten, heißt es aus Stuttgart. Der erste Verhandlungstermin am Frankfurter Landgericht war bereits im Juni, am 16.Dezember ist der nächste anberaumt. Ob es dann bereits zu einem Urteil kommt, ist derzeit offen.

Zu den möglichen Konsequenzen eines negativen Spruchs wollte sich das Finanzministerium nicht äußern. „Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen“, so Gößl. Grundsätzlich hat der Freistaat rund 900 Millionen Euro für Ausfälle der Landesbank zurückgelegt. Zudem will Finanzminister Georg Unland (CDU) sich demnächst die Möglichkeit geben lassen, ohne Zustimmung des Landtags Kredite von bis zu 1,8 Milliarden Euro aufzunehmen. Damit wäre der höchstmögliche Schaden abdeckbar. Jederzeit.
Von Annette Binninger