Karl Nolle, MdL

Freie Presse, 16.10.2010

Tillichs West-Schelte löst Kritik bei Bürgerrechtlern aus

Plauener Bürgerplattform stellt sich hinter Stuttgarter Protestbewegung — Vorwurf: Sachsens Regierungschef ein „Ewiggestriger"
 
Dresden. Mit seiner Kritik an den Protesten gegen den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs hat der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. (CDU) bei der „Bürgerplattform für demokratische Erneuerung" in Plauen Protest ausgelöst. Tillich stelle indirekt die im Grundgesetz garantierten Rechte auf Meinungsversammlungsfreiheit und die Mündigkeit der Bürger infrage, werfen ehemalige Bürgerrechtler dem Regierungschef vor.

Tillich hatte in „Focus online" dem Westen mangelnde Veränderungsbereitschaft und dem Osten mehr Motivation attestiert. In Sachsen gebe es kein Großprojekt, das durch Klagen gestoppt wurde. „Wir haben Kohlekraftwerke gebaut, Straßen und Autobahnen sowie Braunkohle-Tagebaue erweitert", lautet die Auflistung. Seinem Stuttgarter Kollegen Stefan Mappus empfiehlt Tillich im Streit um Stuttgart 21 durchzuhalten. Für den Erfolg bei solch umstrittenen Großvorhaben gelte, dass die Politik ein solches Projekt umfassend erklären und auf dem einmal eingeschlagenen Weg nicht mehr umkehren sollte.

„Bequem" seien nach Ansicht von Tillich jene protestierenden Bürger, die sich gesellschaftspolitisch engagieren und nicht mit zweifelhafter Steuergeldnutzung abfinden, lautet die Klage aus Plauen. So wirft auch Jörg Schneider, Initiator der Demonstrationen im Oktober 1989, dem Ministerpräsidenten vor, die Menschen aus Ost und West gegeneinander auszuspielen.
 
Es sei makaber genug, dass ange¬sichts seiner Blockpartei-Vergangenheit ausgerechnet Tillich an der Grundsteinlegung und Einweihung des ersten deutschen Denkmals der Demokratischen Revolution 1989 in Plauen als Redner aufgetreten sei. Mit seinem „Focus"- Beitrag habe er sich als „Ewiggestriger" erwiesen.

„Wer rechtsstaatlich getroffene Entscheidungen infrage stellt, stellt sich selbst außerhalb der Grundordnung unseres Staates", kontert Sachsens Regierungssprecher Johann Adolph Cohausz. Allerdings habe man großes Verständnis für jene, die sich um das Gesicht einer Stadt wie Stuttgart sorgen und zu sparsamen Umgang mit Steuergeldern mahnen.
Von Hubert Kemper