Karl Nolle, MdL

DIE ZEIT, Zeit für Sachsen, Seite 12, 21.10.2010

Die Causa Nolle wurde jetzt kleinlaut zu den Akten gelegt.

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Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle will wieder unbequem werden

Das Corpus Delicti ist 20 Meter lang, zwei Meter hoch und rotiert mit lautem Brummen. Es ist die größte Bogenoffsetmaschine im Druckhaus Dresden von Karl Nolle, und diese KBA Rapida 105 bescherte ihm auch den größten Ärger in der 20-jährigen Firmengeschichte. Von April 2009 an ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den streitbaren SPD-Abgeordneten wegen leichtfertigen Subventionsbetruges: Er habe dem Finanzamt zur drei Millionen Euro teuren Druckmaschine unvollständige Angaben gemacht. In der Regel klärt eine Steuerbehörde solche Details diskret. In diesem Fall schickte sie die Staatsanwaltschaft. Doch das erwies sich als Schuss in den Ofen: Die Causa Nolle wurde jetzt kleinlaut zu den Akten gelegt.

Die Causa Nolle wurde jetzt kleinlaut zu den Akten gelegt.

Lange war es still um ihn, das Schlachtross der sächsischen SPD. Im Landtag machte er sich und seine gefürchteten Kleinen Anfragen rar. Nachdem nun der Rechtsstreit beendet wurde — und überdies ein Leiden, das ihn ein halbes Jahr gequält hat, auskuriert ist —, plant der 65-Jährige sein Comeback in der Opposition. »Meine vielen Freunde in der Politik sind noch mehr geworden«, sagt er ironisch. Doch es ist ihm ernst: »Ich werde mein Mandat im nächsten Jahr effektiver denn je ausüben.«

Die Ansage dürfte manche aufhorchen lassen. Denn Karl Nolle ist ein Phänomen in Sachsens Politik. Seit er 1999 in den Landtag einzog, hat er sich wie kein Zweiter auf die CDU-Ministerpräsidenten eingeschossen. Er war beteiligt am Sturz Kurt Biedenkopfs und am Rückzug Georg Milbradts. Selbst als die SPD mit in der Regierung saß, ließ er nicht locker und thematisierte die DDR-Karriere von Stanislaw Tillich.

Doch kurz darauf und just vor der Wahl 2009 tauchte das Ermittlungsverfahren gegen Nolle auf. Ein Vorgang, der bis in höchste Regierungskreise bekannt war — und sehr schnell die Presse erreichte. Der Versuch, Nolles Immunität aufheben zu lassen, scheiterte indes im Landtag: Die Staatsanwaltschaft hatte es peinlicherweise versäumt, Nolle vorher dazu anzuhören. Ein zweiter Antrag hat das Parlament gar nicht mehr erreicht. Stattdessen einigte man sich nun darauf, dass die Ermittlungen gegen eine Spende von 7000 Euro an die Aussätzigenhilfe eingestellt werden.

1973 gründete Karl Nolle seine erste Firma - mit dem späteren Kanzler Gerhard Schröder

»Ein Zusammenhang zwischen der Landtagswahl und dem Verfahren besteht nicht«, betont der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Nolle hingegen ist vom politischen Charakter der Aktion überzeugt. »Bis zu einem sicheren Freispruch hätte ich aber jahrelang prozessieren müssen«, sagt er, »das wollte ich mir nicht antun.« Für ihn sei ein Albtraum zu Ende. »Meine Reputation als Geschäftsmann und Landespolitiker wurde schwer beschädigt.«

Ein Streit mit den Finanzbehörden um Zinsrückzahlungen von bis zu 188 000 Euro läuft indes weiter — und auch der Kampf um die Existenz von Nolles 70-Mann-Betrieb. Die Rapida 105 rotiert derweil auf Hochtouren, 9700 Bogen pro Stunde. Es sind grün-weiße Formulare — für Steuererklärungen. Nolles Druckmaschine ist ein Corpus Delicti im Staatsdienst.
von SVEN HEITKAMP