Karl Nolle, MdL

Agenturen dapd, 15:39 Uhr, 25.11.2010

Hannah-Arendt-Institut überprüft Beschäftigte auf frühere Stasi-Mitarbeit

Institutsleiter sieht Ruf des Hauses nicht beschädigt
 
Dresden (dapd-lsc). Nach der fristlosen Kündigung eines belasteten Historikers will das Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in Dresden sämtliche Mitarbeiter einer Überprüfung auf frühere Stasi-Mitarbeit unterziehen. «Spätestens am 1. Januar wollen wir mit der Kontrolle beginnen», sagte Institutsleiter Günther Heydemann am Donnerstag der Nachrichtenagentur dapd in Dresden.

Bisher habe es lediglich Überprüfungen einzelner Beschäftigter gegeben, sagte Heydemann. Aufgrund einer Regelung der Bundesbehörde für Stasi-Unterlagen sei eine komplette Überprüfung Anfang der 1990er Jahre nicht notwendig gewesen. «Außeruniversitäre Institute traf keine umfassende Kontrollpflicht», erklärte Heydemann.

Der Institutsdirektor hatte den Historiker Michael Richter fristlos gekündigt, nachdem das Kuratorium am Dienstag der Entlassung zugestimmt hatte. Als Kündigungsgrund nannte Heydemann die in der vergangenen Woche erteilten Auskünfte der Stasi-Unterlagen-Behörde. «Diese belegten gravierende, über den bisherigen Kenntnisstand erheblich hinausgehende Aktivitäten» Richters als Informeller Mitarbeiter (IM) der DDR-Staatssicherheit.

Richter, der zurzeit krankgeschrieben sein soll, arbeitete seit 1994 am Hannah-Arendt-Institut und gilt in Sachsen als wichtiger Historiker im Bereich der DDR- und Totalitarismusforschung. Er soll zwischen 1979 und 1981 als IM «Thomas» Oppositionelle für den DDR-Geheimdienst ausspioniert haben. So soll er unter anderem das Notizbuch eines Freundes abgeschrieben und dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ausgehändigt haben.

«Ich könnte mir glücklichere Momente vorstellen»

Heydemann sieht den Ruf der Einrichtung nicht beschädigt. «Ich könnte mit glücklichere Momente vorstellen, eine substanzielle Beschädigung des Instituts kann ich aber nicht erkennen», sagte er. Die wissenschaftlichen Arbeiten Richters sollten weiter genutzt werden. «Es handelt sich um fundierte Erkenntnisse», betonte Heydemann, «ein Verzicht auf Richters Arbeit wäre wissenschaftlich nicht haltbar».

Im vergangenen Jahr geriet Richter in die Schlagzeilen, als der damalige Bundespräsident Horst Köhler in seiner Rede zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution in Leipzig fehlerhafte Abschnitte aus Richters Buch über den Wende-Herbst in Sachsen zitierte. Außerdem wird ihm vorgeworfen, sich freiwillig als IM verpflichtet zu haben und 1981 nach Westdeutschland geschleust worden zu sein.

Von dort habe er jedoch keinerlei Berichte geliefert, stattdessen habe er eine Stelle bei der Konrad-Adenauer-Stiftung angetreten. 1994 kam Richter dann nach Dresden an das Hannah-Arendt-Institut, schon damals gab es laut Heydemann Hinweise auf Stasi-Verstrickungen.

(Quellen: Heydemann auf Anfrage)

dapd/grk/kos /1
251743 Nov 10