Karl Nolle, MdL
Sächsische Zeitung, 11.04.2001
Putzfrauen-Affäre
Späte Einsicht
DRESDEN. Noch vor wenigen Tagen hat die CDU die Vorwürfe gegen Kurt Biedenkopf als üble Neid- und Diffamierungskampagne verurteilt. Jetzt schließt sogar die Staatskanzlei nicht mehr aus, dass der Ministerpräsident, seine Ehefrau und weitere Mitglieder der Familie jahrelang ungerechtfertigt Leistungen erhalten haben. Das ist zwar noch kein Eingeständnis von Fehlverhalten. Aber das die Vorwürfe alle völlig unhaltbar sind, wird heute keiner mehr behaupten. Wahrheit, Klarheit und die Einhaltung von Spielregeln hat Georg Brüggen, der Chef der Staatskanzlei, als Grundlage seiner Politik genannt. Offenbar entsprechen die Verhältnisse im Gästehaus in der Schevenstraße nicht dieser Richtschnur. Denn ansonsten bräuchte die Staatskanzlei keine Arbeitsgruppe, um all die vielen ungeklärten Fragen zu beantworten. Mit Spannung darf man auf die Antworten warten. Problematisch ist allerdings die Besetzung dieser Arbeitsgruppe. Denn nicht unabhängige Gutachter werden beurteilen, ob Biedenkopf möglicherweise sehr hohe Nachzahlungen zu leisten hat, sondern Beamte des Freistaates. Sie stehen in einem schweren Loyalitätskonflikt: Man stelle sich vor, sie würden auf Unregelmäßigkeiten ihres Dienstherren stoßen. Es ist wirklichkeitsfremd zu glauben, dass sie darüber auch mit der gebotenen Distanz und Offenheit berichten können.
(Christian Striefler)