Karl Nolle, MdL

spiegel-online.de, 16:34 Uhr, 21.12.2010

Affäre um Landesbank

Sachsen fordert 60 Millionen Euro von Ex-Vorständen
 
Sachsen macht Ernst: Der Freistaat will wegen der Fast-Pleite der einstigen Landesbank von ehemaligen Vorständen Schadensersatz in Höhe von 60 Millionen Euro. Den früheren Verwaltungsräten der SachsenLB drohen dagegen keine finanziellen Folgen.

Hamburg - Drei Jahre nach dem dramatischen Beinahe-Zusammenbruch der Sächsischen Landesbank versucht Sachsen, einen Teil der Verluste wieder einzutreiben. Der Freistaat hat den letzten Vorständen der Skandalbank kurz vor Weihnachten durch die Kanzlei Latham & Watkins eine Millionenklage auf Schadensersatz zustellen lassen. Gefordert werden 60 Millionen Euro - zuzüglich Zinsen. Die Verwaltungsräte, unter ihnen zahlreiche Politiker, sollen offenbar nicht belangt werden.

Aus Sicht der Anwälte des Freistaats haben die Vorstände Investitionsentscheidungen getroffen, die zu erheblichen Verlusten bei der staatseigenen Bank und "letztlich zum wirtschaftlichen Zusammenbruch der Bank" führten. Vor allem Investitionen in sogenannte ABS-Fonds und Spekulationsgeschäfte auf internationalen Kapitalmärkten werden den Ex-Vorständen zur Last gelegt.

So seien Geschäfte getätigt worden, ohne eine Zustimmung des zuständigen Kreditausschusses der SachsenLB einzuholen. Den einst Verantwortlichen wird vorgeworfen, die Risiken nicht hinreichend überwacht und kontrolliert zu haben. Die Ansprüche sollen in einem sogenannten Schiedsverfahren eingefordert werden.

Die Landesbank war im August 2007 in eine erhebliche Liquiditätskrise geraten, nachdem der Markt mit Immobilienkrediten in den USA massiv eingebrochen war. Innerhalb von Tagen stand das Institut am Rande des Ruins, die Sparkassen-Finanzgruppe musste eine Kreditlinie in Höhe von 17,3 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um die Bank zu retten.

Unklarheit über Anklageerhebung

Die Übernahme der SachsenLB durch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bewahrte den Freistaat schließlich vor einem Banken-Crash. Auch der Freistaat Sachsen musste bei dem Deal mit 2,75 Milliarden Euro garantieren.

Im Zuge der Affäre, die auch einen Untersuchungsausschuss im Landtag beschäftigte, traten Finanzminister Horst Metz (CDU) und Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) von ihren Ämtern zurück. Im April 2008 endete die Existenz der Sächsischen Landesbank. Sie wurde mit der LBBW verschmolzen.

Nach Berechnungen des Sächsischen Rechnungshofs hat der Freistaat 364 Millionen Euro bei dem Bankenskandal verloren. Zuzüglich weiterer Garantieausfälle. 2008 hatten bereits von der Staatsregierung beauftragte Wirtschaftsprüfer festgestellt, dass der Bank-Vorstand Risiken "nicht gesehen oder in ihrer potentiellen Brisanz unterschätzt" habe.

Die Opposition im Landtag fordert jedoch, auch die Verwaltungsräte mit in die Haftung für den Millionenschaden zu nehmen. Parallel zu den Forderungen auf Schadensersatz laufen seit mehr als drei Jahren strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Leipzig gegen ehemalige Vorstände der Bank wegen des Verdachts der Untreue.

Trotz Unterstützung des Bundeskriminalamts ist bislang nicht klar, ob und wann Anklage erhoben wird. Björn Gercke, Anwalt eines betroffenen Ex-Vorstands, erklärte SPIEGEL ONLINE, es würden "einzelne Bankvorstände für ein Marktversagen im Zuge einer für alle so unvorhersehbaren und auch undenkbaren Finanzkrise zur Rechenschaft gezogen". Es sei überraschend, dass nicht auch gegen den Verwaltungsrat vorgegangen werde.
Von Steffen Winter